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Rhchtshinukit durchrkchtsprechung? 137 einc Rechtsquelle haben, welche das von ihr hervorgebrachte Recht nicht wieder zu ändern vermöchte, welche sich jeder Fortbildung des Rechts entgegensetzte “108 Damit waren Konstanz und Einheitlichkeit der Rechtsprechung an die Freiheit der wissenschaftlichen Erkenntnis gebunden, waren also jederzeit wieder relativierbar und konnten aufgelöst werden. Diese Auffassung bedeutete in letzter Konsequenz, dal^ die Rechtswissenschaft die Rolle einer Rechtsquelle iibernehmen konnte,'°^ die der Rechtsprechung als Richtschnur zu dienen hatte. Puchta zog diese Folgerung; Wenn der Richter sich von der „actuellen Volksiiberzeugung und Gesetzgebung verlassen finde“, so „tritt die Wissenschaft als ergänzende Rechtsquelle ein, indem sie den anzuwendenden Rechtssatz aus den Principien des bestehenden Rechts erschlief5t.“"° Seine „Autorität“ erhalte ein so gewonnener Rechtssatz durch die „wissenschaftliche Wahrheit“, die sich ihrerseits durch die communis opinio und die gerichtliche Praxis kundtue.'" Verliere daher die wissenschaftliche Ansicht die Vermutung ihrer Richtigkeit, so verlieren nach Puchta auch die Präjudizien ihre Autorität, da sie „nicht Rechtsquellen, sondern Erkenntnifiquellen ... eines schon entstandenen Rechts sind“, mithin nur Zeugnis einer wissenschaftlichen Wahrheit, nicht deren Grund.'*' Die Kritik am „Präjudizienkult“ dominiert daher unter den Vertretern der Rechtswissenschaft. Die Bejahung eines bindenden richterlichen Gewohnheitsrechts fällt unter deren Befurwortern graduell recht unterschiedlich aus. Sie ist unter den Praktikern weitaus häufiger verbreitet, woraus besonders das Bediirfnis der Rechtsprechung nach fester Entscheidungsgrundlage angesichts einer Itickenhaften und unsicheren Gesetzgebungsgrundlage — einschliefilich des gemeinen Rechts - spricht. Typisch ist auch hier die Haltung des sächsischen Ober-Appellationsrats Kritz, der 1843 beim Fehlen des Gesetzes die Suche nach der „certitudo iuris“ in dieser Reihenfolge vornimmt: „Helfen keine res judicatae aus der Verlegenheit, dann wirft er (sc. der Richter) die Augen auf die Litteratur. Ausdrticklich erklart er gegen Savigny: CE I'. Piicht.1, Das Gewohnheitsrecht, Theil I, Erlangen 1828, pp. 164 s. Generell zu Bedeutung und Rang der Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert cf. die umfassende Arbeit von M. Sandström, Die Herrschaft der Rechtswissenschaft (Rättshistoriskt Bibliotek 44), Stockholm 1989, besonders pp. 108 ss. G. E. Puchta,Pandekten, 9. Auflage (ed. A.E. Rudorff), Leipzig 1863, p. 29. Cf. dazu auch W. Wilhelm, Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1958, pp. 74 ss.; Ogorek, Richterkonig (Anm. 55), pp. 198-210. Puchta, Pandekten (Anm. 110), pp. 29 s. Puchta, Gewohnheitsrecht 1 (Anm. 108), pp. 166 s.; Puchta, Lehrbuch der Pandekten, Leipzig 1838, p. 17; ebenso Savigny, System I (Anm. 101), p.l49; cf. auch J. Werres, Die Rechtsquellenlehre der historischen Schule, insbesondere die Lehre vomJuristenrecht, jur. Diss. Köln, Köln 1937, p. 62; Mohnhaupt, Richter (Anm. 107), p. 261. Cf. Ogorek, Richterkönig (Anm. 55), pp. 178 ss. Kritz, Die juristische Literatur als Organ der Erkentniss des in der Praxis geltenden Römischen Rechts, m: Gerichtsgebrauch (Anm. 72), p. 189. «U4 lOS 109 110

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