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Rhchtseinhfit durch rechtsprechung? 133 “Je vollständiger, je deutlicher, je gelungener eine Legislation ist, um so beschränkter, um so unerheblieher wird die Sphäre des Gerichtsgebrauchs. Letzterer bleibt immer nur ein Surrogat des Gesetzes, und zwar ein sehr unzulängliches, weil die richterliche Ansicht sich miihsamfest begriindet, und - dennoch ihrer Natur nach stets veranderlich - nie den Interessen des Staatsbiirgers die Sicherheit eines deutlichen, geschriebenen Gesetzes gewahrt.“**^ Simon und Strampff erläutern diese Wechselwirkung zwischen Urteil und Gesetz mit den folgenden Worten: “Wie verhalten sich nun Urtelsspriiche zum Rechte? So lange noch keine Gesetze vorhanden sind, vertreten sie gewissermal^en Gesetzesstelle. Hinter dieser Ansicht steht noch die optimistische Uberzeugung der Aufklärungsepoche, mit der vollendeten Kodifikation die Endgiiltigkeit des Rechts geschaffen zu haben und damit zugleich den rechtsschöpferischen Entscheidungsrahmen fur den Richter eindeutig bestimmbar halten zu können. Sie war noch weit entfernt von der Einsicht Oskar Biilows, der 1885 in seiner bekannten Schrift „Gesetz und Richteramt“ diesemGlauben eine Absage erteilt hatte, da die selbständige Rechtsbestimmungsmacht des Richteramtes auch nicht durch die vollständigste und vollkommenste Gesetzgebung beseitigt werden könne. Es liegt aber auf der Hand, dafi gerade auch diese Auffassungen vom Richteramt die Bedeutung der Richterbindung durch regelbildende Präjudizien nur verstärken mul^te. <‘87 IV Zum Mafistab fiir die Giite und Brauchbarkeit der Urteile als normative Rechtsquelle wird deren Publikation — vor allem unter Einschlul? der Urteilsgriinde. Zahlreiche amtliche und private Sammlungen gerichtlicher Entscheidungen und Urteile sowie Zeitschriften mit Rechtsprechungsmaterial erscheinen zwischen 1800 und 1900 in Deutschland.**^ Sie haben eine externe und interne Aufgabe und Funktion zugleich. War im 18. Jahrhundert die Kenntnis und Publikation der Gesetze fiir alle Untertanen eine Forderung der Aufklärung gewesen, so umgreift mit dem 19. Jahrhundert die Publizitätsforderung auch die gesamte Spruchpraxis der Gerichte im Sinne eines Aufklärungsanspruchs des vor Gericht Recht suchenden Burgers: “Gibt es aber wohl etwas Ungerechteres, etwas Widersinnigeres, als daft die Partheien nicht einmal wissen sollen, aus welchen Griinden sie ihre Processe verloren oder gewonnen haben . . . Die Gesellschaft hat ein vollkommenes Recht darauf, unpartheyische Justiz administrirt zu sehen, und die Gerichte V. d. Nahmer, Abhandlung (Anm. 78), p. 30. A. H. Simon und H. L. v. Strampff (ed.), Rechtsspriiche der preubischen Gerichtshöfc . . ., 1. Band, 2. Auflage, Berlin 1834, p. V. **** Cf. die Ubersicht bei Mohnhaupt, Rechtsprechungssammlungen (Anm. 77).

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