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Ri:chtsi-inhi:itdurc.h rkchtspri-.chung? setzenden Rechtsprechungsinstanzen. Vor diesc Situation sah sich vor alleni das Privatrecht des gemeinen Rechts in Deutschland gestellt, das vorrangig als ein Recht der Wissenschaft auf der Grundlage des römischen Rechts sich mit ständig neuen Aufgaben und Problemen konfrontiert sah. Die gemeinrechtliche Rechtsquellensituation leitete die Debatte iiber den Stellenwert der Rechtsprechung an, weil hier die gröbten Anpassungsprobleme lagen. Ergebnisse dieser Diskussion sind deshalb nicht automatisch auf die anderen rechtsdisziplinären Gesetzgebungen (Strafrecht, Verwaltungsrecht, Verfassungsrecht usw.) iibertragbar. Die Aufgaben, die dem gemeinen Recht — und damit der Rechtswissenschaft mit Folgeaufgaben fiir die Rechtsprechung — gestellt waren, wurden z. B. von Alois Brinz 1852 als Katalog „noch ungelöster Grundfragen“ so formuliert: “. . . es muss vorher ausgemacht sein, ob wir eine Vormundschaft haben, odor zweierlei - ob eine, oder zwei, oder drei, oder viererlei Biirgschaften - ob wir Forderungen selbst cediren können, oder bios die Klage - ob wir Stellvertretung ganz allgemein zulassen können nachdem es die Römer nicht getban - ob wir auch eine bonorum possessio haben und wie - kurz es muss vorher auf jedem Blatt der Pandecten irgendem Prinzipielles entschieden sein . . . Hätten wir nur emmal entschieden, was in unserer Familie, fiir unsere Miindel, fiir unser Eigenthum und unsere Geschäfte gilt, dann ware unser Verhältniss zum Römischen Rechte von selbst klar und wiirde eines unfruchtbaren, sonst heillosen, Streites weniger sein. Die Folgerung, die Brinz aus diesem Befund zog, lautete, dab die Praxis der Theorie vorausgehen miisse, weil jene die „schaffende“, die Theorie jedoch die „erkennende Seite der Jurisprudenz“ sei.^° Die selbstgestellte Frage aber, warum „wir so arm an Praxis und reich an Theorie sind?“, beantwortete Brinz 1855 mit der ironischen Bemerkung: „Weil wir iiber fremden Eiern briiten. Nicht unsere Praxis ist Gegenstand unserer Theorie, sondern die Praxis des römischen Rechts. Die Betonung des Vorrangs der Praxis in Gestalt der Rechtsprechung bzw. des „Gerichtsbrauchs“ war in Umkehrung der von Savigny geforderten Vorrangstellung der Rechtswissenschaft gesagt. Die Unzulänglichkeiten des bestehenden Rechtes — besonders in Gestalt des gemeinen Rechts und der zahlreichen Partikulargesetze — standen dabei weniger im Streit als vielmehr Methode und Instrument, diesem Zustand erfolgreich abzuhelfen. Vertreter der Praxis bzw. Angehörige der Rechtsprechungsorgane sahen es verständlicherweise als ihre Aufgabe an, die Rechtsunsicherheit durch von der Recht129 “6^ «71 A. Brinz, Civilrecht. Einleitung, in: Jahrbiicher dcr Dcutschen Rechtswissenscli.tft und Cicsctzgcbung, cd. H. Th. Schlctter, B.ind I, Erlangen 1855, p. 9. Brinz, Civilrecht (Anm. 69), p. 8. Ähnlich schon zuvor A. E'. J. Thibaut, Vertheidigung der Praxis gegen manche neuen Theorien, in: Archiv fur die civilistische Praxis, 5. Band, 3. Heft (1822), pp. 313-349 (315). Brinz, Civilrecht (Anm. 69), p. 8.

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