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Rechtseinheit durch Rechtsprechung? Zu Theorie und Praxis gerichtlicher Regelbildung im19. Jahrhundert in Deutschland Heinz Mohnhaupt I Das Verhältnis zwischen „juristischer Theoriebildung und rechtlicher Einheit“, wie das Rahmenthema dieser Tagung lautet, ist ein wechselseitiges und multifuktionales zugleich. Es handelt sich um ein Spannungsverhältnis, das einerseits durch theoriebezogenen Anspruch auf Regelbildung' und andererseits durch rechtspraktische Gestaltung der staatlichen sowie gesellschaftlichen Wirklichkeit bestimmt ist und zu der Frage nach den Instrumenten fiihrt, mit deren Hilfe Rechtseinheit erzielt werden kann. Diese Instrumente können je nach Epoche und dem Zweck der erstrebten rechtlichen Einheit sehr verschiedene sein und damit auf die Kompetenz unterschiedlicher Theoriefelder verweisen. Neben der Gesetzgebung als dem dominierenden Mittel zur Rechtsvereinheitlichung’ wurden und werden auch heute noch vor allem die Möglichkeiten der Realisierung und Gestaltung von Rechtseinheit durch Rechtswissenschaft^ — dem Instrument mit der längsten und bedeutendsten europäischen Tradition — sowie durch Verfassung,^ Verwaltung,^ Recht- ' Cf. dazu zuletzt die Arbeiten in: M. Herberger, U. Neumann, H. Riissmann (ed.), Generalisierung und Individuahsierung im Rechtsdenken (Archiv fiir Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 45), Stuttgart 1992. ’ Cf. Chr. Starck (ed.), Rechtsvereinheitlichung durch Gesetze. Bedingungen, Ziele, Methoden. 5. Symposion der Kommission „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart" am26. und 27. April 1991 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, PhilologischHistorische Klasse, 3. Folge Nr. 197), Göttingen 1992; cf. auch die historischen Beispiele bei St. Buchholz, Zur Rechtsvereinheitlichung in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Rabels Zeitschrift 50 (1986), pp. 77—110. ^ Cf. A. Flessner, Rechtsvereinheitlichung durch Rechtswissenschaft und Juristenausbildung, in: Rabels Zeitschrift 56 (1992), pp. 243—260; Chr. Starck, Einfiihrung, in: Starck, Rechtsvereinheitlichung (Anm. 2), p. 12. ■* Auf der Grundlage des ius commune war die ältere Rechtswissenschaft in Europa bis zumBeginn des 19. Jahrhunderts weitgehend eine einheitliche. Das gait speziell fiir Deutschland auch noch im 19. Jahrhundert von der Wissenschaft des römischen Rechts, die eine rechtswissenschaftliche Rechtseinheit repräsentierte; cf. H. Going, Europaisches Privatrecht I-II, Miinchen 1985 und

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