Jherings Rechtsdenken als Herausforderung fiir die skandinavischeJurisprudenz Kjell Å. Modder 1. Einleitung Jherings Anhänger pflegen ihren Heros. Fur sie gehört er auf alle Zeiten zu den wichtigsten Juristen in Deutschland. Mit mehreren Festschriften, Symposien und Konferenzen schon zu Lebzeiten und jetzt aus Anla£ seines hundertjährigen Todestages hat man ihm gehuldigt und seine Bedeutung unterstrichen.’ Welche Rolle hat dieser gefeierte Rechtswissenschaftler fiir die skandinavische Rechtswissenschaft, Gesetzgebung und Rechtsprechung gespielt? 1st Jhering gelesen worden, war sein Name den skandinavischen Juristen seiner Zeit bekannt? Der beriihmte schwedische Mathematiker Gösta Mittag-Leffler [1846-1927] aus Uppsala stellte genau diese Frage im Jahre 1875. Er studierte damals in Göttingen, wo er Jhering kennenlernte und mehrfach traf. Seinem Freund in Uppsala, dem Strafrechtler Johan Hagströmer [1845-1910] gegentiber machte Mittag-Leffler die sarkastische Bemerkung, dieser bedeutende Jurist sei in Uppsala [sicher] nicht bekannt. „Du hast zu niedrige Gedanken von uns Juristen hier [in Uppsala]", antwortete Hagströmer. Er und seine Kollegen seien durchaus dariiber informiert, was auf ihren Fachgebieten im Ausland publiziert werde.^ Jhering sei, schrieb er, fiir ihn, Hagströmer, und seine Generation die grofie Autorität. Wiirden soziale und familiäre Verpflichtungen ihn nicht hindern, ware er gleich einem Pilger nach Göttingen gefahren, umJhering zu hören.^ Mittag-Lefflers Frage war jedoch nicht irrelevant. Das rechtswissenschaftliche Milieu in Skandinavien war im 19. Jahrhundert verglichen mit dem deutschen sehr diirftig. Das Fach Römisches Recht war seit Anfang des 18. Jahrhunderts sehr in den Hintergrund geraten und spielte bis zur Mitte des 19. Jahrhundert eigentlich nur die Rolle eines allgemeinbildenden Fachs. ' Jergen Dalberg-Larsen, Retsvidenskaben som samfundsvidenskab. Et retsteoretisk tema i historisk og aktuel belysning, Kobenhavn 1977, S. 294. ’ Hagströmer an Mittag-Leffler, 10.5.1874. - Zitiert von Jan-Olof Sundell, Tysk påverkan på svensk civilräitsdoktrin 1870-1914 [Mit deutscher Zusammenfassung], Rättshistoriskt bibliotek, Band 40, Lund 1987, S. 92. ^ Die Bearbeitung des schwedischen Rechts war fiir ihn das erste Ziel. Die Komparation spielte eine untergeordnete Rolle; Sundell, a. a. O., S. 95.
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