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39 wirkte aber die Entfernung vom Kaiser als dem Reichsoberhaupt dafi im 17. und vor allem 18. Jahrhundert Verfahren hochpolitischen Charakters nicht beimReichskammergericht anhängig gemacht wurden sondern in Wien unmittelbar bei dem Konkurrenzgericht, das sehr bald nach der Griindung des Reichskammergerichts eingerichtet worden war. Der Kaiser brauchte zur Eriedigung der Sachen, die weiter an ihn persönlich kamen, ein Organ, mit demer sich iiber Erledigung solcher Sachen beraten konnte. So organisierte Maximilian I. zwei Jahre nach der Errichtung des Reichskammergerichts imJahre 1497 seine Hofverwaltung neu, indem er einen Hofrat schuf, den er fiir solche Zwecke nutzen konnte.1498 erliefi er eine Reichshofratsordnung,*^® in der die Verfassung und das Verfahren dieses neuen Organs geregelt wurden. Danach wurde dem Reichshofrat zugewiesen: Die Erledigung der Reichslehnsachen, der Streitigkeiten iiber kaiserliche Privilegien, iiber kaiserliche Reservatrechte sowie Kriminalsachen gegen Reichsunmittelbare.'^* Imiibrigen konnte er auch andere erstinstanzliche Klagen sowie Appellationen gegen landesherrliche Urteile behandeln.'^^ Er entwickelte sich damit zum zweiten obersten Reichsgericht, das nach dem Prinzip der Prävention mit dem Reichskammergericht konkurrierte: Dort, wo die Klage zunächst anhängig gemacht worden war, wurde die Zuständigkeit begriindet, was in der Zukunft Anlaft zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen Reichshofrat und Reichskammergericht werden sollte.'^^ Als im Laufe des 16. Jahrhunderts am Kaiserhof der Geheime Rat und die Reichshofkanzlei stärker in den Vordergrund riickten, verlor der Reichshofrat zunehmend seine Bedeutung als allgemeines Beratungsorgan des Kaisers, so dafi die justitiellen Funktionen in den Vordergrund traten.'^** Dabei ging es allerdings nur ganz selten um Kriminalsachen gegen Reichsunmittelbare.'^^ ImJahre 1711 beschlofi der Reichstag sogar, das der Reichshofrat zukiinftig zwar noch weiter das Recht haben solle, einen ProzeB auf Achterklärung gegen einen Reichsstand einzuleiten. Doch solle er die spruchreifen Akten dann demReichstag vorlegen, der sodann das Urteil imNamen des Kaisers fällen solle. Es versteht sich von selbst, dal? der EinfluB des Kaisers auf den Reichshofrat sehr intensiv war. Das lag zumeinen daran, dafi er allein die Reichshofräte erGschliefier (Anm. 115)S. 1. Gschliefier (Anm. 115) S. 1; Wolfgang Sellert, Frozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat. Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, N. F. herausgegeben von Adalbert Erler u.a. Bd. 18, 1973, S. 61 f. Auch wenn dieser Text sich nicht Reichshofratsordnung nennt, ist er es doch der Sache nach. Gschliefier (Anm. 115) S. 14 ff. Gschliefier (Anm. 115) S. XVI. Gschliefier (Anm. 115) S. 1, 28. Gschliefier (Anm. 115) S. 3 f., 15. Gschliefier (Anm. 115) S. 25 f., 27. Gschliefier (Anm. 115) S. 25, 26. 130

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