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85 hen, warumnicht auch alle, die es betraf, dariiber mitentscheiden sollten.^ Die gedankliche Entwicklung der „Verfassungsideale“ steuerte also notwendig auf politische Mitbestimmung bin. Von daher änderten sich alle Perspektiven: Nicht mehr der Monarch repräsentierte die Nation, sondern die Nation schuf sich ihre Reprasentation selbst und degradierte den Monarchen zum „Staatsorgan“ mit einer vomVolk abgeleiteten Legitimation. Die notwendigen Begrenzungen der Freiheitsrechte waren nun nicht mehr von aufien auferlegt, sondern vomWillen aller getragen, um Kollisionen der Rechte zu vermeiden. Die Exekutive erschien nicht mehr als feindliche, repressive Polizei, sondern als ein vomVolkswillen gelenkter Apparat fiir Zwecke des Gemeinwohls. Das Heer war nicht mehr der bewaffnete Arm des Monarchen, sondern es waren die bewaffneten Burger selbst. Die Justiz entschied imNamen des Volkes, die richterliche Gewalt war an das von alien gebilligte Gesetz gebunden. Die Steuern waren nun eine notwendige, gerecht auf alle Schultern verteilte Last. Und damit, so schien es, war zum Greifen nah, was die Staatstheorie schon immer bewegt hatte, nämlich die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Herrschern und Beherrschten durch „Identität“ — oder, im Reprasentativsystem, durch Quasi-Identität —, die Vereinigung aller freien Burger unter selbstgewählten Beschränkungen, schliefilich die Beseitigung aller mit der „Natur des Menschen“ unvereinbaren Ungerechtigkeiten. Die freie und öffentliche Diskussion schien die Garantie fiir die Auffindung der Wahrheit und fiir die Zerstörung alter Vorurteile zu sein. Religion, Gewissen, und politische Meinung schienen frei von Bevormundung zu werden. Die ökonomischen Fesseln soilten entfallen, jeder Tiichtige sollte eine Chance erhalten. Leistung sollte iiber Privilegien siegen. Es ist heute kaum mehr vorstellbar, welche Faszination diese „Verfassungsideale“ ausiibten, welche Begeisterung fiir Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenliebe herrschte und welche Hoffnungen sich an diese „Morgenröte einer neuen Zeit“ kniipften.^ Alle schriftstellerischen Energien warfen sich auf das Problem der „Verfassung“. Uber Fragen der Gewaltenteilung, der Menschenund Biirgerrechte, iiber die Herrschaft des Gesetzes in Justiz und Verwaltung, fiber das Verhältnis von Parlament und Regierung, fiber Ein- und Zweikammersystem erschienen viele tausende von Schriften in alien europäischen Ländern.'° Die Verfassungsdebatte war so verbreitet und allgemein, dal? die Kennt- ** U. Scheuner, Die Staatszwecke und die Entwicklung der Verwaltung imdeutschen Staat des 18. Jahrhunderts, in; G. Kleinheyer, P. Mikat, Beiträge zur Rechtsgeschichte, Festschr. f. FI. Conrad, Paderborn 1979, 467-489. '* G. P. Gooch, Germany and the French Revolution, 1920; F. Valjavec, Die Entstehung der politischcn Strömungen in Deutschland 1770—1815, Wien 1951; R. C. Cobb, Reactions to the French Revolution, 1972. Zwischen August 1788 (Einberufung der Generalstande durch Ludwig XVI.) und Mai 1789 (Zusammentreten der Generalstande) sollen allein in Erankreich rd. 50 000 Bucher und Broschiiren crschicncn sein.

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