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82 stehen im Einklang mit der Tugendlehre der mittelalterlichen Katechese: Gottesfurcht sollte gegen den bösen Einflufi der superbia helfen.^ Die Förderung des allgemeinen Wohls darf nach dem geheimen Ausschufi aber nicht nur dem Einzelnen auferlegt werden. Der Staat, die Obrigkeit mufi „jedoch viel dazu helfen”, durch öffentliche Einrichtungen und dadurch, daf? „die Gnade gleichmäfiig ausgeteilt wird, und den Tugendhaften und Frommen Belohnungen zuteilt werden”. Der Ausschufi sieht mit anderen Worten ein, daft das Gebot der Liebe eine maximalistische Ethik ist, eine Richtungsethik. Ermunterung ist notwendig, damit die Menschen in der rechten Richtung streben: „Tugend und Einigkeit werden durch Belohnungen aus Gnade ermuntert und bestärkt”.^ Altruismus als ethischer Antrieb geniigt nicht. Man mul^ ihn auf verschiedene Art unterstiitzen. Die Rolle des Strafrechts in dieser theozentrischen Rechtstheorie ist es, ein ethisches Minimumzu garantieren. Es soil dafiir sorgen, daft solche Menschen, die weder aus eigener Kraft noch durch Ermunterung zum Streben nach der Tugend zu bewegen sind, durch die Androhung von Strafen dazu gebracht werden, das fiir die menschliche Gesellschaft notwendige Minimumeinzuhalten. Auch ftir dies ethische Minimumgilt natiirlich, wie fur die Tugendlehren, das Gebot der Liebe als Richtpunkt, man mul? sich wohl mit einemäufieren Gesetzesgehorsam in der menschlichen Gesellschaft begniigen, sagt Mathias Wesenbecius, deutscher Jurist und Kommentator des römischen Rechts. Denn der Mensch ist verderbt, das Unmögliche können die Gesetze nicht fordern, meint er. Das Strafgesetz ergänzt das System der Tugenden mit Riicksicht auf jene Menschen, die nicht aus eigener Kraft nach der Tugend streben können.^ Giiltige und selbstverständliche Vorbilder der Liebespflicht sind auch aus demzeitgenössischen Privatrecht zu holen. In demNachschlagewerk des deutschen JuristenJohannes Kahl von 1622 kann man diese Gedanken imAnschlul^ des Kontraktrechts finden. Gegenseitigkeit und Gemeinschaft werden in der Gesellschaft zunehmen, wenn die Menschen niitzliche Dinge miteinander wechseln. Solche Verbindungen zu stärken sind die Ziele des Privairechts.'^ Johannes Kahl driickte diese Liebespflicht zweifach aus, als eine maximalistische und minimalistische Ethik: ,,dafi wir gegen den Nächsten also so viel gut als möglich tun sollen und so wenig böse als möglich”.'° In Alteuropa war das *■ Kilström(1958) S. 299 ft. ^ SRAa.A. S. 313. * Commentarii in Pandectas luris Civilis et Codicis lustinianei Libros. Basileae 1629, Lib. I, Tit. 1 (s. 7), Lib. XLVIII, Tit. XIX(s. 1414). ’ Lexicon luridicum (1622) Stichwort: ,,Contractus denique causa finalis est, ut . . . Item, ut exerceamus charitatem, et communicemus res nostras indigentibus utq; certo constet in commerciis rerum, quid unicuique tribuendum sit. Et in summa: omnes contractus pertinent ad finem benefaciendi proximo”. Kahl a.A. Stichwort; „Contractus causa efficiens est ius gentium, h.e. naturale, seu divinum. Naturae enim praeceptum est: diligendumesse proximum: Quia Deus nos dilexit. . . . Ergo bene-

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