77 von programmatischen Prämissen ethisch-politischer Prägung logisch abstammt, ist ein geschichtlicher Verdienst der Pandektistik, weil mit dieser grossen doktrinalen Operation die biirgerliche Gesellschaft endlich erklären kann, auch auf juristischer Ebene ein wirklich biirgerliches Eigentum zu haben, und nach vielen Jahrhunderten die technischen Modelle des Mittelalters in den Abstellkeller gebracht und mit einemDruckfrischen ersetzt zu haben. So, wie die Feststellung einer formellen Freiheit und Gleichheit die geeignetsten Instrumente waren, demhomo oeconomicus die faktische Ungleichheit des Vermögens zu garantieren, so ist dieses ,spiritualisierte‘ Eigentumdank seiner unlimitierten transformistischen Eigenschaften in dem Stein des Weisen der kapitalistischen Gesellschaft konkretisiert: die ärmste, die fleischloseste der )uristischen Konstruktionen demonstriert ein wirksames Mittel zu sein, alles in Gold zu verwandeln, ein punktliches Instrument fiir jede Art von Vermarktung. Franz Wieacker, hellsichtiger Untersucher des juristischen Gedankens des 19. Jhdts und vielleicht der erste Rechtshistc^riker, der die Verbindung zwischen Pandektistik und Okonomiegesellschaft der Industrierevolution ins Licht geriickt hat, ist von der Unfahigkeit eines Haufens von ,Romanisten' iiberzeugt, „sich dieses Einverstandnisses mit der Gesellschaft ihrer Zeit bewufit zu werden“.'^^ Eine Uberzeugung, die uns, wenn es der verehrte Kollege anzumerken erlaubt, pleonastisch scheint, oder, noch schlimmer, wenig niitzlich. Die Syntonie findet sich zweifellos auf der unterirdischen Ebene der Mentalität, in diesem Leitfaden, der eher im Unbewufiten und Unterbewufiten lauft. Sicher ist, daft mit dem Hilfsmittel - und mit einigen Hindernissen^° — das von dem fungiblen römischen Instrumentarium geboten wird, sie völlig dem herausgestellten Ergebnis mit der Vergangenheit zu brechen folgen, nicht nur technische Erfindungen erarbeitend, sondern eine neue juristische Kultur an die Stelle der alten setzend. Die Grenze zwischen gestern und heute wird gefestigt und das Moderne des Rechts erlangt theoretische Vollstandigkeit. Das Abenteuer der Zugehörigkeit ist fiir den Historiker damit abgeschlossen. Die Krise, die das abstrakte Eigentum der Pandektisten seit der zivilistischen Reflektion zwischen den beiden Kriegen ergriffen hat, und die mit der Wiedereinfugung des Eigentums in die Dinge und der Wiederentdeckung der dominia beginnt, ist ein Itinerarium, daf? sich ununterbrochen bis zu uns fortsetzt, das wir noch leben und das uns auf der Haut brennt. Fiir den Historiker ist es Zeit anzuhalten. Und das nicht, weil ihm die passenden Worte fehlen: das antike Gesicht dieser sich formierenden Gegenwart F. Wicacker, Pandektenwissenschaft und industrielle Revolution )etzt in; Industriegesellschatt und Privatrechtsordnung. Frankfurt am Mam, 1974, s. 60. Die romanistische Tradition liegt kondizionierend hautsachlich auf dem Thema des Objektes des Eigentums. Windscheid fiihlt die Pflicht ohne Perplexitat zu lehren: „Eigentum bezeichnet, dafi jemandem eine (körperliche) Sache eigen ist“ (Lehrbuch des Pandektenrechts, B.I, Erankfurt a.M. 1969, § 167, S. 856.
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