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63 das dominium typischen Folgen, zur gleichen Zeit driickt sich aber auch eine gewisse Perplexität aus und teilweise erreicht man den Punkt, bestimmte dominium utile (nicht jenen — wie man damals sagte — des contrariatur directo, sondern denen des subordinatur directo) den Charakter des verumdominium abzusprechen. In einem so breiten Kaleidoskop kann jeder eine Vielzahl von doktrinalen Quellen auf seine Seite ziehen, aber eines drängt sich historiographisch auf: die einzelne oder einzelnen Entscheidungen beiseite zu lassen, um das zu tun, was der Rechtshistoriker tun sollte, und zwar diese Entscheidungen und Meinungen in die breite und systematische Konstruktion einzufiigen, die der doktrinale Chor aufzubauen versucht (Gemeinrecht ist eine mehrstimmige Realität), den Sinn dieser Konstruktion aufzunehmen und sich das juristische Projekt klarzumachen, von der diese Interpretatio Trägerin ist. Entweder man macht diesen Schritt oder jede Untersuchung bleibt wegen fehlerhafter juristischer Diagnose geschichtlich unvollständig. Die Reflektion iiber das dominiumutile ist notwendigerweise widerspriichlich, weil das dominium utile selbst eines der Zeugnisse des Widerspruchs jener sapientes ist, die, obgleich sensibel fiir die Effektivität der Instanzen ihrer Zeit, in den Konstruktionen des römischen Rechts ihren Giiltigkeitsmoment sehen. Zwischen den bloEen Buchstaben des Textes und der iiberquellenden Neuheit der Fakten kann der einzelne Interpret leicht Opfer von Zweifeln und Bedenken werden. Wichtig ist die mehrstimmige Spannung, die von der Notwendigkeit des Verstehens neuer Fakten beherrscht wird und dazu bestimmt ist, die formellen Verbindungen der Giiltigkeit imNamen der Effektivität zu opfern. Auf der Linie eines solches Prozesses ordnet und prägt eine europäische Juristen-Werkstatt, die vom 12. bis zum 15. Jhdt ununterbrochen arbeitet, eine Idee und ein Institut, das geteilte Eigentum, das die Realisation eines doppelten Zusammenhangs ist: erstens zu dem Erbe, das imUnterbewuBtsein dieser raffinierten Handwerker als Nachlaft der demiitigen Schmiede des Friihmittelalters mitgetragen wird und zweitens zumideellen Erbe, das in der Luft liegt und imBrauch und den Forderungen der Strukturen eingeschrieben ist. Fiir den Rechtshistoriker ist die fundamentale Erkenntnis, dafi das dominiumutile kein ludus der Juristen, erzeugt in einemnur zu scholastischen Analysen befähigten Laboratoriumist, sondern die aufbliihende Spitze eines grossen wissenschaftlichen Projekts, das von sich verlangt, juristische Figuren in perfektem Zusammenhang mit der zirkulierenden Mentalität zu zeichnen. Wenn das dominium utile nicht genau daraus bestånden hätte, ware es amTag nach seiner Geburt abgestorben, so wie viele Artifizien der juristischen Alchemie entstehen und wieder vergehen. Es hat aber imGegenteil weit iiber die Zeit der mittelalterlichen Erfahrung hinaus iiberlebt und wurde unbequemer Gast in legislativen, doktrinalen und juristischen Texten fiir einen guten Teil der ersten Halfte der Neuzeit, quasi bis gestern, denn kaum gestern war es, dafi auf der Tagung zumThema der quälendsten Probleme der modernen Zugehörig-

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