56 findung der Jurisprudenz des ,Rinascimento Giundico‘ mit all seinen Lastern und Tugenden. Betrachten wir diese historisch hochinteressante Frucht etwas näher. Die unkultivierte und hinderliche Realität, die aus dem komplexen Fakt ,Ausiibung-Genufi — in seiner Effektivität und Autonomie besteht, wird mit den feierlichen und unpassenden Kleidern des dominium bemantelt wie ein in Zeremoniefrack gesteckter Bauer. Wer diese Operation mit feinem ästhetischem Geschmack und aufklärerischer Siiffisanz betrachtet, findet einiges zu lachen und lächerlich beurteilt das Institut auch Anton Friederich Thibaut, als er eine beriihmte Arbeit iiber das dominium utile genau zu Beginn des 19. Jhdts schreibt.^’ Wer jedoch mit geniigend bistorizistischem Auge hinschaut, sieht und wertet in jenemformellen Monster ein Biindel historischer Motive. Zweifelsohne trägt das dominium utile einen inneren Widerspruch in sich: ein schlecht zusammengestelltes Substantiv und Adjektiv. Das Substantiv gehört dem Reich der herrischen Souveränität des Individuums, den expansiven Fähigkeiten des Willens an, während das Adjektiv diese Fähigkeit in eine Umgebung zieht, in die es nicht hine npafit, auf eine niedrigere Ebene der täglichen Diesseitigkeit, in der die Dinge gebraucht und genossen werden und in der es nicht nötig ist von Tugenden, Souveränität, Fähigkeit zu sprechen. Und zweifelsohne ist dem Begriff von GenuB, wenn der Genufi innerhalb des Inhalts von dominium stehen kann (auch wenn es nur ein marginaler Inhalt ist), die Idee des dominium fremd. Wir glauben, dafi der Historiker dieses aus zwei disharmonischen und ungleichen Linien zusammengesetzte heterogene Gewebe gut beachten sollte; das dominium utile offenbart nämlich seine ganze intensive Geschichtlichkeit als Zeichen eines Widerspruchs. Die friihmittelalterlichen Intuitionen dauern in einemMoment fort, der nicht mehr frei von kulturellen Konditionierungen ist, sondern im Gegenteil in der einen oder anderen Weise mit diesen rechnen mufi. Die Lösungen der römisch-barbarischen Praxis waren einfach und rein, weil die Gemeinschaft und die Arbeiter es nicht nötig hatten, sie zu verifizieren, aufier an der Effektivität der täglichen Erfahrungen. In einem Klima der Wiederentdeckung raffinierter kultureller Griindungen, wie es im Rinascimento Giuridico herrschte, verkompliziert sie die Verifikation, die nicht nur mit der zirkulierenden Mentalität der Erfahrungen gemacht wird, sondern auch mit den kulturellen Modellen, die die Erfahrung als ihren Giiltigkeitsmoment ausgegraben hat. Das römische Recht und sein heiligstes, erhabendstes Dokument, der Corpusjustinianeum, bilden — in einer Welt, wo die politische Macht weiterhin nicht als Staat, sondern unvollendet, nicht totalisierend gedacht ist und darumweiterhin unfähig bleibt, Giiltigkeitsmodelle zu konstruieren - die unabkömmliche autoritäre Plattform auf die man sich bezieht, auch wenn sie ’’ A. F. J. Thibaut, Uber dominiumdirectum und utile, in; Versuche iiber einzelne Theile der Theorie des Rechts, Aalen 1970 (rist. anast.) PII S. 78.
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