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51 Sich jeder formalistischen Annäherung und dem hervorstechenden Hindernis der Kontinuität zu entledigen kann die einzige Operation intellektueller Säuberung sein, urn die Formierung der neuen juristischen Erfahrung auf den Stämmen der ökonomisch-sozialen Fakten aufzunehmen und zu verfolgen. Der Respekt der Diskontinuität ist hier Respekt der Originalität historischer Fakten. Diskontinuierliche Geschichte ist als von verschiedenen tiefgreifend charakterisierten und markant begrenzten Universen gezeichnet zu verstehen, man mufi allerdings den Hinweis präsent halten, dal5 diese Grenzen, die Grenzen zwischen zwei Mentalitäten sind, Territorien in denen Spuren der Vergangenheit iiberleben und sogar fortfahren das Bewufitsein zu formen und damit aus dem neuen Universum eine widerspriichliche Realität in limine machen, die Werte von gegenteiligen Vorzeichen trägt. Dieses sind langsam absterbende Verwurzelungen, die nichts mit Kontinuität zu tun haben: in einer Folge von diskontinuierlichen Erfahrungen gibt es stehende Wasser, Stockungen, das Alte lebt quasi aus Gewohnheit auf Mentalitätsebene fort — unbewegliche Geschichte sagten wir - auch wenn das geschichtliche Klima nicht mehr in der Lage ist, diese juristischen Werte zu nähren, die unweigerlich zumTode verurteilt sind. Dieses erklärt, wie schon gesagt, warum das vollständig ,Möderne' des Eigentums sich erst imspäten 19. Jhdt. konkretisiert, als die mittelalterliche geschichtliche und juristische Erfahrung seit einigen Jahrhunderten iiberwunden zu sein schien: weil erst zu dieser Zeit die juristische Kultur die bewufiten und unbewul^ten Kräfte hatte, eine wenn auch bereits begrabene Mentalität endgiiltig abzuschiitteln. 9.) Dieser Abschnitt der juristischen Ordnung dinglicher Beziehungen, den wir mittelalterlich nennen können, wird klar, als sich mit demFall des alten römischen Staatsgebäudes und der damit symbiotisch verbundenen juristischen Kultur, mit der sozialen Auflösung, mit der Krise der ökonomischen Produktion, mit der Verkrampfung des Handels, mit der Entleerung der Städte und mit der verspäteten Auffiillung des entstandenen Vakuums seitens der entstehenden Zivilisation das Verhältnis Mensch-Natur verkehrt und neugegriindete Werte beginnen, die juristische Welt zu beeindrucken. Die Dinge, friiher vom dominierenden Wollen des Subjekts unterdriickt, vergröfiern sich und werden die essentiellen Elemente einer Landschaft, die immer weniger Zeichen menschlicher Aktivität zeigt, Dinge, die in ihren enormen Proportionen unzugänglich sind, aber auf alle Kosten respektiert werden miissen, weil sie elementare Bedingungen des Uberlebens in einer Welt darstellen, in der das Uberleben emhartes, alltägliches Problemist. Das Subjekt, ohne einschneidenden Widen, im Innern einer kosmischen Realität zusammengekauert wie Teil eines groben Mosaikes, in der schiitzenden Schale bedriickender mikrogemeinschaftlicher Ordnungen begraben, legt jede Herrscheran-

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