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50 verbreitern, um zu sehen, ob vielleicht neben cinem formell immer unlebendigerem und verbrauchtem Eigentum, mit auffälliger Effektivität ausgestaltete Para-Eigentumsformen, auftauchen? Fiir die Bestimmung des Eigentums ist die katastale Form eine rein hypothetische. In jedem Fall ist Eigentum Macht fiber Dinge und wir können es ruhig Situation direkter und unmittelbarer Macht fiber das von der Ordnung intensivst geschfitzte Gut nennen. Welcher Situation leiht die frfihmittelalterliche Ordnung ihre Aufmerksamkeit, und daraus resultierend, den intensivsten Schutz? Dem forrnellen Eigentum oder dem Komplex der Effektivität fiber das Gut (man nenne es ruhig gewere oder vestitura) in demeine breite Skala von Macht kondensiert ist? Es gibt keinen Zweifel, daB die Ordnung ffir die Zweite stimmt und mit dieser Option krankt sie an einemunlösbaren Widerspruch: in der Trennung (und auch Opposition) zwischen offizieller Form und tatsachlicher Substanz tuteliert sie als Eigner Ordnungen, die förmlich keine solchen sind, wenn man ihre Funktion als Protagonisten des ökonomischen Lebens betrachtet. Die rechtliche Antwort der frfihmittelalterlichen Ordnungen liegt in diesem Verschieben der Aufmerksamkeit und des Schutzes, sie ist der bedeutende Punkt fur den Historiker der dinglichen Beziehungen, dieser zuerst formlose und nur im konkreten gefuBte Schutz ist der erste Schritt der sich in ein Itinerariumeinffigt, das spater den bereits als Eigentum wahrgenommenen ökonomisch-juristischen Substanzen eine formelle Eigentumswfirde verleiht. Wahrscheinlich hatte wieder einmal der äuBerst klare Verstand Blochs Recht, ein Nicht-Jurist mit juristischemVerstand, als er in einer der vielen brillianten Rezensionen in den ersten Bänden seiner ,Annales‘ gestand: „Je n’aime guere appliqué au moyen age le mot ,propriété‘Er hatte voiles Recht die zweideutige Indikation nicht zu mögen, weil sie Ursache möglicher Disorientierungen und ungeeignet ist, ungleiches historisches Material zu beschreiben. Trotzdem endete auch Bloch in seinen mittelalterlichen Arbeiten damit, wie wir, von ,Eigentum' zu sprechen, sei es auch nur als konventioneller Bezug, als eine Form, damit alle verstfinden, daB die behandelten Probleme jene der maximalen Dinglichkeit, die wir heute eben gerade als ,Eigentumidentifizieren, ist. Um mit dem instrumentalen Gebrauch dieses geistigen Schemas fortzufahren, muB der ,Eigentumshistoriker‘ — der stets mindestens ein ,Eigentumerhistoriker‘ sein muB- die Isolation der formellen Eigentumsbeziehungen vermeidend und seine Analyse auf das ganze Bodensystem ausweitend, die Geschichte des ,Eigentums' auf eine Gruppe von Gegenständen bauen, die ein Formalist kurzsichtig ausklammern wfirde. Aber der Formalist riskiert, nichts als eine ununterbrochene Genealogie der Inhaber des Gutes aufzuzeigen und die Geschichte der intensivsten Macht fiber das gleiche Gut ist ihmverschlossen, was aber genau das ist, was wir Juristen normalerweise als Eigentumsgeschichte verstehen. Der Satz ist in einer kurzen Rezension zu einem Band der Geschichte der monastischen Institutionen enthalten (vergl. Annales d’histoire economique et sociale VIII (1936) S. 501).

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