49 8.) Mit dem kleinen Gepäck der in den letzten Seiten zusammengefafiten niitzlichen Dinge, können wir dazu iibergehen, der Linie eines Prozesses nachzufolgen und ein zusammenfassendes Itinerariumzu zeichnen, begleitet von wenigstens einem Körnchen methodischer Umsichtigkeit, das stets in unserer Hand sein sollte: daft die Geschichte der Zugehörigkeit und der juristischen Beziehungen zu den Dingen notwendigerweise von einer tiefen Diskontinuität gekennzeichnet ist, notwendigerweise, weil Eigentumhauptsächlich Mentalität ist. Sie reduziert sich niemals auf eine reine Formoder ein reines Konzept, sondern ist immer eine substanzhaltige Ordnung, ein Knoten aus Uberzeugungen, Geftihlen, spekulativen Sicherheiten, groben Interessen, so sehr, daft unbesonnen - und sogar lachhaft - wäre, wer versuchte auf diesem Gebiet eine Geschichte der Termini, der bloften Worte zu machen. „Proprieté, propriétaire: voilå appliqués au Moyen Age des mots lourds d’équivoques“ hat uns Bloch in mittlerweile fernenJahren gewarnt, mit einer Warnung, die aufzunehmen und sich zu eigen zu machen, auch heute als generelle Verkiindigung, die die Grenzen der komplexen mittelalterlichen Realität iiberschreitet, ratsam ist. Wer den Worten vertrauen möchte - und einige tun das - wtirde sinnlose, leere Hullen kollektionieren, denn die Geschichte hat sich auf eigene Faust weiterentwickelt, die variiertesten Inhalte annehmend ohne sich um verbale Kontinuität zu kiimmern. Das Wesentliche fiir den Historiker ist es, sich nicht von formellen Identitäten täuschen zu lassen, sondern sicher zu den konkreten juristischen Konstruktionen zu kommen, die die differenzierte Antwort der historischen Ordnungen auf das Problem der dinglichen Beziehungen sind. Es gibt soviele ,Eigentumer‘ — um es so zu sagen — wie es juristische Erfahrungen in der Reihenfolge der Zeiten gibt. Und hier fällt eine letzte Präzisierung in den Rahmen, die mit unserem jetzigen Diskurs zusammenhängt. Wenn die Suche nach einem Wort, das quasi evocative Tugenden hat (die es eben nicht hat) illusorisch ist, ist eine Kontinuität der Formen nicht weniger illusorisch. Von einem sozialen Gesichtspunkt aus gesehen, hat die Geschichte Westeuropas niemals den Eckpfeiler des individuellen Eigentums umgestoften, das Friihmittelalter selbst mit all seinen kollektiven und individuellen NichtEigentums-Verwaltungsformen hat eine formelle Idee des Individualeigentums als legitimen Zugehörigkeitsmoment bewahrt und theoretisch kann man mit vollem Recht an die Kontinuität in der formellen Inhaberschaft eines Latifundus von der klassischen iiber die ganze barbarische Zeit bis hin zur Renaissance des 12. Jhdts glauben. 1st das eine Kontinuität, die sich fiir den Rechtshistoriker auszahlt? Und zahlt es sich besonders fiir den ,Eigentumshistoriker‘ aus, sein geschichtliches Objekt auf katastale Zeichen zu reduzieren? Oder sollte er nicht seinen Blick M. Bloch, Village et seigneurie; quelques observations de méthode ä propos d’une étude sur la Bourgogne, in: Annales d’histoire économique et sociale, IX(1937) S. 497.
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