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48 schichtswerdung zu verdammen. Erinnern wir uns, daft die Wissenschaft fur den Eigentumshistoriker zwei extrempositive Aspekte vereint: sie ist Aufdekkerin des gesamten technischen Abenteuers der juristischen Konstruktion, die sich in der Spur der wissenschaftlichen Analyse entknotet und sich voll entwickelt, sie ist Aufdeckerin mit besonderer Harmonie innerhalb des Aufbaus der technischen Diskussion und präziser ideologischer Entscheidungen. Das Wichtige ist, dal? der Historiker vor der Einzelmeinung flieht in dem Verlangen, die Doktrin habe Stimme einer Klasse zu sein, vorsichtig ist, und es vorzieht, sich in mehrstimmiger Realität auszubreiten, wo sich die Gefahr der Abstraktheit und Isolation reduziert oder auflöst. In diesemFall ist der in Stein eingeschlossene Diskurs in der offenbar trockensten Technik in gewisser Weise, mittel- oder unmittelbar, mit den grol?en Instanzen der Gesellschaft verbunden, umsie anzuerkennen oder zu verneinen, umsie aufzunehmen oder abzustol?en und immer ist die Technik Filter und Schutz, eine Schrift mit zweierlei Tinten, von der eine - die ideologische - nur unter Schwierigkeiten und vom Können des Beobachters gelesen werden kann, der einer beim ersten raschen Hinschauen platt erscheinenden Sache Formgibt. Wenn die technische Seite des Wissenschaftlers im Gegenlicht betrachtet wird, sei es der Erkenntnis- als der Meta-Erkenntnisanteil, wenn sie in ein mehrstimmiges Gewebe eingefiigt wird, ist sie die erste Quelle v^on der der Rechtshistoriker zumindest ausgehen mul?. All das kommt in der groBen doktrinalen Reflektion zusammen, in der sich das klassische Gemeinrecht inkarniert, von den Glossatoren zum späteren Kommentar, vom 11. bis zum 16. Jhdt., aufgrund zweier elementarer Motive: erstens weil es eine Wissenschaft ist, die aus dem Zentrumdei irdisch-diesseitigen Stadt kommt mit der sie fest verankert ist, und in der sie sich mit der Konstruktion juristischer Architekturen der Gesellschaft beschaftigt, zweitens weil es eine von den Schmeicheleien des Formalismus noch nicht gefangene Doktrin ist, wenn wir unter Formalismus die Schaffung einer Struktur intellektuell zutreffender und iiberzeugender Formen ohne sich in der Wirksamkeit der historischen Kräfte wiederzutreffen verstehen. Und wenn auch in ihr die ständige Versuchung lebt, eine reine Dogmatik zu konstruieren, so ist diese stets von einem starken realistischen Geist iiberwunden, von jenem Bediirfnis nach Verifizierung anhand der Realität, die das Sicherheitsventil in vielen Abenteuern der Juristen in der Geschichte war. Das Problem der Giiltigkeit römischer Quellen und den von den Doktoren in der Annäherungskrise zwischen diesen entfernten Quellen und der täglichen mittelalterlichen und protomodernen Realität erfundenen Lösungen beweisen uns das. Sie zeigen, dal? sie keine Persönlichkeiten frei von formalistischen Konditionisierungen sind, sondern, dal? sie ein Riickgrat in Formvon Unvoreingenommenheit, Fantasie und historischem Verständnis haben, diese Konditiomerungen zu iiberwinden oder zumindest durch unabtrennbare Nabelschniire mit der effektiven Realität zu entschärfen.

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