35 Nur allzuoft ist die Annäherung des Rechtshistorikers an das Thema formalistisch gewesen. Mit anderen Worten, man hat sich dem verworrenen Knoten von Motivationen mit der gleichcn sui?en Unbefangenheit genaht, mit der man eine der vielen harmlosen Institute des junstischen Lebens analysiercn kann, wie den Hinterlegungsvertrag, Ruckkaufklauseln im Kaufvertrag, usw. als ob man die Diskussion auf demNiveau der junstischen Grammatik und des raffinierten technischen Apparates im gebräuchlichen Laboratorium erschöpfen könne. Und man hat nur vomInstitut des Eigentums gesprochen, noch schlimmer nur vomTerminus dominium!proprietas mit der gleichen Aufmerksamkeit trennend und isolierend wie es ein Histologe täte. Dal^ der Jurist niemals seine Brille und, um es strenger zu formulieren, sein epistemologisches Statut absetzen dart, nicht einmal - oder auch gerade nicht - gegeniiber komplexen, vielstimmigen und mehrdimensionalen Realitäten, ist eine elementare Notwendigkeit seiner Identität, es ist jedoch ein Zeichen von Unwissenheit gegeniiber allem Weiteren - Strukturkräften, Idealen, Ideologien, kulturellen Verhaltensweisen - was die juristische Institution derartig prägt, dal^ es als unabdingbares interpretatives Element von deren juristischer Konstitution fungieren, die Augen zu verbinden. Das Eigentum ist sicherlich auch ein technisches Problem, aber mit all seinen andauernden Verkniipfungen mit dem Umfeld nicht ausschlieBlich; die groben Strukturordnungen von unten und die grofslinigen anthropologischen Feststellungen von oben setzen das Eigentum in das Zentrum einer Gesellschaft oder Zivilisation. Das Eigentumwird niemals blofi aus einer unbedeutenden technischen Regel bestehen, sondern in einer Antwort auf das ewige Problem der Verbindung zwischen Menschen/Dingcn, zwischen der Welt der Subjekte und der Welt der Phänomene, und wer sich daran macht, seine Geschichte zu rekonstruieren, muft, ohne isolationistischen Tendenzen nachzugeben im Gegenteil versuchen, das Eigentum innerhalb einer Mentalität und eines Grundsystems mit einer interpretativen Funktion zu lokalisieren. Mentalität und Interaktion zwischen Subjekt und Phänomenen, eine Mentalität der Kraft und Rolle, die dem einen und dem anderen innerhalb der Gesamtvision zugeschrieben werden. Dieses System resultiert aus dem Komplex sämtlicher Zugehörigkeitsformen, die innerhalb des Komplexes der Organisationsformen des ökonomisch Realen gemessen werden. Fiir den Historiker des Mittelalters reduziert sich dies auf Organisationsformen landwirtschaftlichen Anbaus und Produktion, fur den Historiker der Neuzeit erstreckt es sich auch auf ausgefeilte Organisationen der entwickelten Handels- und Industriegesellschaft, wo der reife Kapitalismus, besonders auf gesellschaftlichem Gebiet ansehnliche und ausgefeilte Trennungen zwischen Eigentum und Betrieb, zwischen formaler Stellung des Eigners und Verwaltungsmacht aufzeigt, welche den UntersLicher mit junstischen Analysen beschäftigt, die technisch nur dann genau sein können, wenn sie die komplizierten ökonomischen Hintergriinde
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