RS 15

25 Rituelle Herstellung von sozialer Nähe, damit Evokation sozialer Vorbilder (Bruderschaft), gemeinsame religiöse Akte, das rechtlich-religiöse Mittel des Eides. Letzteres dient dann dazu, einen Bereich zu entwickeln, der sich als spezifische Rechtsordnung aus differenziert. Der Gildeeid rechnet nämlich nicht nur auf religiöse ,,Sanktion” (Heilsentzug) oder die in diesem Fall meist ausbleibende obrigkeitliche, weltliche oder kirchliche Sanktion (sie ist weitgehend abgeblockt durch das Verbot oder den Verdacht gegen conjurationes). Der Eid hat vielmehr selbst zumInhalt das Beschwören verbindlicher Rechtsregeln, damit die Unterwerfung unter ein Gildegericht zur Kontrolle der Einhaltung dieser Regeln. Genau dies wird sodann von der Stadtkommune fiir ihren Bereich unter Verwendung des Biirgereides ubernommen. Unter Benutzung des zunächst mehr religiösen denn rechtlichen Mittels des Eides wird also von der Sozialform der Gilde, und dann noch entschiedener von der ihr nachgebildeten Kommune, ein nun schon ausdifferenzierter Bereich von Recht mit der Sanktion durch eine zugeordnete Gerichtsbarkeit geschaffen. Damit hat sich innerhalb der Entwicklungsgeschichte der Gilde zwischen dem 10. und 13. Jhdt. eine bemerkenswerte Qualitätsänderung des Rechtsbereiches vollzogen. Diesemrechtshistorischen Ergebnis korrespondiert das sozialgeschichtliche: In Fortentwicklung der ,,älteren”, vorkommunalen Gilde, in Wechselwirkung zur iibergreifenden Biirgergemeinde, in Beantworung der sozialen und wirtschaftlichen Bediirfnisse der Handels- und Gewerbestadt entsteht in den Gilden und Ziinften des späteren Mittelalters eine neue Formstärker ,,verrechtlichter” Vergesellschaftung. Gerade diese rechts- und sozialgeschichtliche Neuartigkeit des untersuchten Phänomens wäre ohne die mehrfache Entfaltung der Problematik, ohne die unterschiedlichen methodischen Zugriffsweisen nicht so klar hervorgetreten.

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