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23 dieser Vorgänge wenig tauglich ist. Recht im Sinne von Normen, deren Befolgung durch obngkeitlichen Zwang gesichert wird, erweist sich zwar sowohl als Faktor wie auch als Ergebnis dieser Entwicklungen. Es tritt aber eher als Reaktion der mittelalterlichen Herrschaft auf bereits im Gang befindliche soziale Prozesse auf. Diese Prozesse selbst finden primär ihre Tragerschaft und Formungen im Bereich der genannten Gruppenbildungen. Das Rechtliche ist aber innerhalb dieser Gruppen so eng mit sozialen Formen (Vorbild der Verwandtschaft) und religiösen Gegebenheiten (Bedeutung des Eides aber auch religiöser Inhalt der fraternitas) verwoben, dab die fehlende Ausdifferenzierung dieser unterschiedhchen Aspekte in der Zeit selbst durch den Forscher bei Erfassung dieser Phänomene ernst genommen werden mub. Das allgemeine Problem der Betrachtung eines historisch-gesellschaftlichen Phänomens in der Aspektive eines Wissenschaftsfaches stellt sich also hier verschärft, weil es in der historischen Gesellschaft, die untersucht wird, an einer entsprechenden Ausdifferenzierung dieser Bereiche fehlt. Damit ist die Situation anders gelagert als in historischen Bereichen oder Epochen, in denen die moderne Ausdifferenzierung in verschiedene Wissenschaften (vom Recht, von der Religion, von der Wirtschaft, von der Gesellschaft) sich auf eine, wenn auch möglicherweise nur ansatzweise entsprechende Ausdifferenzierung im historischen Objektbereich selbst beziehen kann. Das ist imMittelalter in Bezug auf das Recht erst in entschiedener Weise mit der Ausbildung einer Rechtslehre, Rechtsliteratur und juristischen Profession imGefolge des Studiums in Bologna gegeben. Allerdings bedarf die Wissenschaft analytischer Trennungen zur Erfassung einer solchen ,,Ganzheit”. — Die dreifache Ausfaltung des Themas in eine wissenschaftsgeschichthche Klärung des Vorverständnisses und begrifflichen Inventariums, in einen mehr analytisch-kritisch angelegten diachronischen Durchgang durch wichtige Quellenaussagen und schlieblich in eine mehr synthetisch-synchronistisch angelegte Typenbildung stellt eine Möglichkeit der Erfassung historischer Strukturen und ihrer tiefgreifenden Veränderungen dar. Die Veränderungen können dabei kontrolliert als ein evolutiver Prozeb erfabt werden, wed sich eine deuthche Verlagerung von den mehr archaisch-statischen zu den mehr modern-gestalteten Verbandsformen abzeichnet. Dadurch, dab dies als Uberstimmung, Abweichung und Mischung im Verhältnis zu den Idealtypen gesehen wird, ist die Beschreibung dieses Prozesses dem Spiel von Beispiel und Gegenbeispiel, das oft die Diskussionen der Stadtgeschichtsforschung beherrscht, enthoben; historische Phänomene wie das Nebeneinander unterschiedlicher Entwicklungsformen, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen fiigen sich ohne Widerstand ein und bedeuten Vielfalt, aber keine Verwirrung des historischen Bildes. Dieter Grimm, Rechtswissensehaft und Gesehiehtswissenschaft, in: Rechtswissenschaft und Nachbarwissenscliafien, hg. v. Dieter Grimm, Bd, 2, Miinchen 1976, S. 9 ft. O. G. Oexle, Rechtsgcschichte und Geschichtswissenschaft (Anm. 4).

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