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5 (Strafrecht statt Kriminalrecht) und neue Einteilungen (die veränderte Einteilung Privatrecht - öffentliches Recht) ohne weiteres und meistens auch ohne Begriindung angenommen. Bemerkenswert ist, dafi die in der deutschen Rechtswissenschaft haufigen Vorstellungen von einem wissenschaftlichen, „richtigen” Rechtssystem, z.B. einer deduktiven Begriffspyramide oder einem „inneren”, metaphysischen imRecht selbst vorhandenen Systemkaumein Gegenstand der Rezeption wurde. In der rechtswissenschaftlichen Literatur findet man recht selten Begrtindungen eines wissenschaftlichen Rechtssystems (Bornemann und Goos in Dänemark, Hagerup in Norwegen, Montgomery und Wrede in Finnland). Dies war nicht nur von einem nordischen Widerwillen gegen „die Theoriesucht der Deutschen und ihrer Neigung zum Grundsätzlichen” (Thomas Nipperdey) abhängig, sondern die Systemmetaphysik wurde deshalb abgelehnt, weil sie in den nordischen Staaten keine politische Funktion hatte; z.B. war niemand auf den Gedanken gekommen, eine Einschränkung der Gesetzgebungsgewalt imBereich des Privatrechts zu behaupten.^^ 4. Ein gutes Beispiel einer wählerischen Rezeption und deren Ursachen kann man im Einleitungsaufsatz Francis Hagerups „Nogle Ord omden nyere Retsvidenskabs Karakter” (Einige Worte fiber den Charakter der neueren Rechtswissenschaft) finden; der Aufsatz wurde in der neuen gesamtnordischen Zeitschrift Tidsskrift for Retsvidenskab (TfR) 1888 veröffentlicht. Hagerup war ein Rechtswissenschaftler und Politiker, der als norwegischer Premierminister bei der Unionsauflösung imJahre 1905 seinen politischen Tod fand.^'* Als Rechtswissenschaftler ist Hagerup als ein Befiirworter der Bekehrung zum Germanismus und der Begriffsjurisprudenz bekannt; der oben erwahnte Aufsatz mufi vor allem als eine Auseinandersetzung mit der in Norwegenvorherrschenden Schweigaardschen analytisch-deskriptiven Methode angesehen werden. Hagerups Aufsatz ist imwesentlichen eine Diskussion mit deutschen Autoren, vor allem Windscheid und Jhering. Hagerup befiirwortet eine konstruktive Methode, die ,,den eigenen inneren Zusammenhang des Rechtsstoffes” darlegen soli; man miisse die Rechtsregeln in ihrem begriffsmäfiigen und systematischen Zusammenhang betrachten.^^ Der Rechtswissenschaftler mfisse die Rechtssatze in Rechtsbegriffe umwandeln und aus diesen ein System bilden; dies habe schon Savigny, besonders aber Jhering gefordert.^^ Das Rechtssystemwerde mit Hilfe einer induktiven Methode aufgebaut. Die konstruktive Methode könne ihre Materie nur vom positiven Rechtsstoff holen; allgemeine Begriffskategorien können nicht a priori deduziert werden, sondern Siehe näher Björne (Note 5), S. 258 ft. Hagerup (1853-1921) wurde Doktor iuris 1885 und war Professor 1887-1906. Er war mehrmals Mitglied der Regierung, zuletzt Premierminister 1903—1905. Nach der Auflösung der Union verliefi Hagerup Norwegen; er war Botschaftcr in Kopenhagen 1906-1916 und danach in Stockholm. E/ijger«/7, TfR 1888, S. 19. Hagerup, TiK 1888,5.21.

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