168 Ethnologic und ihremliterarischen Umfeld."“ Auf diesemHintergrund liegt es nahe, das der Rekurs der Rechtsgeschichte auf die Rechtsethnologie leicht umschlagen kann in die unkontrollierte Projektion von Gegenwartsbediirfnissen (oder Gegenwartsfluchtbediirfnissen) auf vermeintliche Geschichtsdarstellung. Dieser Gefahr - wie sie in anderem wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang schon im Bezug der germanistischen Rechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts auf pragmatische Jurisprudenz, Sprachgeschichte und Volkskunde in zuweilen fiir ihre Zeit durchaus ,,produktiver” Weise begegnete — wird man indessen nicht durch eine blofie Verweigerung der Auseinandersetzung mit den Fragestellungen und Deutungsansätzen der Rechtsethnologie fiir Rechtserscheinungen aufierhalb der modernen Kultur entgegenwirken können. Ihr ist vielmehr — neben der Reflexion der jeweiligen Beziige auf Gegenwartsbediirfnisse und -verhältnisse - vor allem dadurch zu begegnen, dal? die Offenheit in der wissenschaftlichen Begegnung verbunden wird mit einer strengen Ausrichtung an den „Kunstregeln” des Faches, und zwar fiir jede der beiden Disziplinen: fiir das rechtsethnologische Bezugsmaterial an den Mafistäben der Fachhistoriographie, wie sie sich seit dem 19. Jahrhundert trotz aller theoretischen und methodologischen Differenzen als weithin anerkannter Kanon von Kunstregeln herausgebildet haben. Zu diesen letzteren Mafistäben gehört - wie ausgefiihrt**'* - insbesondere, dal? die Quellen des konkrethistorischen Untersuchungsfeldes als Ausgangspunkte und Grenzen des Verständnisbemiihens ernstgenommen werden und dal? lediglich in dem Rahmen, den die Quellenaussagen abstecken, auf die ethnologischen Erklärungshilfen zuriickgegriffen werden darf. Unerläl?lich fiir eine Zuwendung zur Rechtsethnologie in demhier vertretenen Verständnis ist es insbesondere, dal? der Rationalismus, dem die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte seit der Aufklärung verpflichtet ist, die gegenwartsbestimmte Grundlage der Auseinandersetzung mit ,,fremden” Kulturerscheinungen bleibt, auch wenn diese weithin nicht von jenem Rationalismus geprägt sind. Die Spanqung zwischen der Ausgangslage der rechtshistorischen Forschung in unserer Zeit und den andersartigen Denkweisen der zu untersuchenden vormodernen Zeit läl?t sich hier nicht aufheben. Weder darf die Fremdheit des Vergangenen durch die Ubertragung moderner Denkschemata derogiert werden, noch.können „Mythos”, ,,Zauber” und (sonstiger) Irrationalismus der Denkformen älterer Geschichte etwa mittels des Vehikels der (Rechts-)Ethnologie die von der Aufklärung geprägten Grundlagen moderner Geschichtswissenschaft substituieren. Auch und gerade bei der Zuwendung zur Rechtsethnologie bleibt insofern schliel?lich die Schranke aufrecht zu erhalten zwischen {rec\\ts)gesch’ichts'wissenschaftlicher AuseinanderVgl. jetzt Hans Peter Durr (Hrsg.) Authentizität und Betrug in der Ethnologic, 1987. Oben I. 2. Oben IV.
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