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157 Individuums oder einer Gruppe) treten so der Sanktionsaspekt sowie eine bestimmte Struktur der Entscheidung bzw. Norm(namlich eine auf Allgemeinheit gerichtete Intention) und eine nähere Kennzeichnung des Verhältnisses der Beteiligten zueinander (durch einen weit gefafiten Begriff der „obligatio”)/’ Demgegeniiber soil schliefilich nach S. Roberts der Begriff des Rechts gar nicht in das Zentrum der Betrachtung treten diirfen. Denn andersartige Mechanismen der Ordnungskontinuität und Konfliktbewältigung sind in „primitiven” Gesellschaften dergestalt unmittelbar in das Alltagsleben eingebettet, daft lediglich in Begriffen wie Ordnung und Konflikt, Regelmäfiigkeit und Kontrolle iibergeordnete gemeinsame Bezugspunkte zu finden sind/^ Diese Diskussionen umden Rechtsbegriff sind in der Ethnologie und in der darauf bezogenen Rechtsanthropologie noch keineswegs abgeschlossen oder auch nur zu einem Einschnitt gelangt. Es zeigen sich in ihnen aber nicht nur verwandte Fragestellungen zu der Frage nach dem Gegenstand der ,,Rechts”- geschichte in den friihen germanischen Stammesgesellschaften. Dariiber hinaus zeichnet sich ab, dal5 die Ethnologie auch Materialien bereitstellen könnte, die den Horizont unserer Kenntnisse iiber andersartige Vorstellungen und Strukturen, als die uns vertrauten, des modenen Rechts weiten. Die Versuche in der Rechtsethnologie, die vielgestaltigen Formen von Konfliktbewältigung und Normierung des sozialen Verkehrs begrifflich zu erfassen, lassen insofern in doppelter Hinsicht Anregung erhoffen; einerseits in der Frage, wie sich bei fehlender oder geringer Ausdifferenzierung von Recht Forschungsgegenstände iiberhaupt unter dem Apekt rec/^fshistorischer Forschung spezifizieren lassen; andererseits fiir die Aufgabe, sie trotz dieses vom modernen europäischen Denken ausgehenden Ansatzes in ihrer Verschiedenheit zu neuzeitlichem Recht zu erfassen. b. Auch unter verschiedenen Einzelaspekten könnte eine Zusammenschau rechtsethnologischer und rechtshistorischer Ansatze hilfreich fiir das Verständnis germanischer Rechtsvorstellungen sein. Hierzu gehören beispielsweise die grof^en Problemkreise des Zusammenhanges nichtmodernen Rechts mit Magie und religiös-sakralen Vorstellungen oder der Einbeziehung der Toten 1), S. 65 ft. Vgl. Pospisil, Anthropologic dcs Rechts (Anm. Vgl. S. Roberts in Anm. 1. Insbesondere in Hinblick auf die vorchristlichen germanischen Rechtsanschauungen (und ihre Nachwirkungen im Fortgång des Mittelalters) lieben sich Verständnishilfen möglicherweise in ethnologischen Arbeiten iiber den Einfluls „archaischer” Vorstcllungen, insbesondere ciner „magischen” Weltsicht auf Normbildung und Konfliktbewältigung finden (vgl. dazu die Lit. hinw. in Anm. 1 u. 18). Ein derartiger „ferner” liegender Bezugspunkt wiirde dazu beitragen, dal? die Frage nach demgermanischen ,,Recht” und der „Rechtsfindung” weiter iiber die Gegeniiberstellung moderner Anschauungen fiber Setzung und soziale Verfiigbarkeit des Rechts einerseits und hochmittelalterliche Vorstellungen iiber dauerhafte „aurscrweltliche” Richtigkeitsmabstabe andererseits hinausfiihrt. Normen und Entscheidungsformen auf der Grundlage von „magischen” (und insofern „weltimmanenten”) Leitvorstcllungen waren aus dieser Sicht grundsätzlich von jenen Rechts-

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