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155 Sinne einer ,,authentischen” Wiedergabe von Rechtsvorstellungen der fremden Kultur beigemessen werden. Auch in dieser Hinsicht steht vielmehr der Verständnishorizont des Forschers, der durch die eigene kulturelle Erfahrung festgelegt ist, notwendig in Kontrast zu dem Erkenntnisziel, eine fremde Kultur in ihrer ganzen Verschiedenartigkeit zu begreifen. Indem das Forschungsmstrwrnentarium des Ethnologen zumeist weiter greift als das des Flistorikers, verschieben sich lediglich die Gewichte etwas, ohne den Widerspruch selbst aufzuheben. b. Die Zielrichtung der Auseinandersetzung mit ethnologischer Forschung ist durch das rechxshistorische Forschungsinteresse bestimmt. Priifungsmafistab fiir die Tauglichkeit von Erträgen ethnologischer Forschung ist der Erklärungsnutzen in dieser Hinsicht. Schranke jeder Applikation von Erklärungsmustern bleibt die Vereinbarkeit mit den Quellenaussagen des Untersuchungsbereichs nach den „Regeln des Faches”. Denn erst durch die Konfrontation mit dem geschichtlichen Quellenmaterial (textliches und archäologisches, unter Einschlufi aller Auswertungshilfen durch Philologie und paläoethnologische Hilfswissenschaften) kann sich ein aus der Ethnologie gewonnenes Denkmodell als Mittel historischen Verstehens bewähren. Wird es dabei falsifiziert, so hat es sich als eine fur diesen Zweck untaugliche Hypothese und mithin fiir die weitere Forschung irrelevant erwiesen. Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich unser historisches Forschungsinteresse an der Ethnologie von dem Interesse anderer Forschungsrichtungen: ImRahmen einer evolutionistischen oder kulturanthropologischen Gesamtschau wiirde der Widerspruch zu den Quellen Fragestellungen aufwerfen, die die (rechts)historische Untersuchung des Germanisten nicht befassen -nach einem Regel-Ausnahme-Verhältnis etwa oder nach sonstiger systematischer Einordnung in den Kulturen-Vergleich. V la. Wenigstens umrifihaft bleibt anschliel^end auf einige Arbeitsrichtungen hinzudeuten, in denen - in den genannten Grenzen - Denkmodelle aus der Ethnologie vielleicht fiir die Germanistik fruchtbar gemacht werden könnten. Aufgrund der germanistischen Forschungstradition diirfte dabei der erste, nicht zu unterschätzende Nutzen darin liegen, unsere Vorstellungskraft fiir die „Andersartigkeit” der historischen Rechtsvorstellungen und Rechtsverhältnisse zu schärfen. Dies gilt nicht nur fiir einzelne Sachgebiete, sondern mehr noch fiir Charakter und Umfang des germanischen „Rechts” insgesamt. Schon dieser Begriff - der bekanntlich keineswegs mit der Quellenterminologie gleichzusetzen ist^^ - ist fiir den historiographischen Sprachgebrauch zur Gegenstandsbeschreibung zwar unumgänglich, er birgt aber in vielerlei Hinsicht Zum Problemdes ,,germanischen Rechtsbegriffs” die Hinweise in Anm. 38.

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