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154 Die Ethnologic bietet hier mit der Fiille ihres Materials nicht nur einen verhältnismäfiig grofien „Vorrat” an Denkmöglichkeiten iiber rechtliche Gegebenheiten in fremden Kulturen. Es erschliefien sich ihr auch weithin tiefere Schichten der Vorstellungen viber Recht und Sozialverhalten in vormodernen ,,Kulturen” als der Altertums- und Fruhmittelalter-Forschung. Denn die ethnologischen Forschungsmittel reichen — trotz der vergleichbaren hermeneutischen Grundproblematik - weit iiber diejenigen des Historikers hinaus: etwa in Formder physischen Präsenz und der unmittelbaren Beobachtung in der betreffenden Kulturdurch breit angelegte Befragung und die Möglichkeit zu (wiederholter) Nachfrage bei ,,Quellenlucken” und Unklarheiten usw. Uberdies bezieht diese Forschungsarbeit gerade in der angelsächsischen und französischen Wissenschaft in weitemUmfang Aspekte der neueren Soziologie, Psychologie und Anthropologic ein, so daft die von ihr ausgehenden Anstöfie gewissermal^en auf einem moderneren wissenschaftlichen Stand ,,vorgeformt” sind als die herkömmlichen Perspektiven der Germanistik. 2. Ob und wie das Angebot an Denkmöglichkeiten aus der Ethnologic in die rechtshistorische Arbeit eingehen kann, bedarf freilich jeweils sorgfältiger Priifung. Der Nutzen einer Einbeziehung ethnologischer Forschung wiirde sich in Schaden verkehren, wenn sie unter falschen Voraussetzungen, vor allem in zu weitgehender Erwartung, erfolgte. Zwei Gesichtspunkte gilt es hier hervorzuheben: a. Erforderlich ist vor allem eine Abgrenzung gegeniiber der ,,Erkenntnisgewifiheit”, die sich an das objektivistische Denken der Germanistik im 19. Jahrhundert kniipfte. Die Einbeziehung von Denkmodellen aus der Ethnologie kann - ebenso wie jeder andere neue Ansatz - nicht mit einemvergleichbaren Objektivitätsanspruch verbunden werden. Es handelt sich bei diesen Denkmodellen vielmehr umErklärungsmuster; wir entnehmen sie — wie sonst historiographische Begriffe auch - dem wissenschaftlichen Denken unserer Zeit und nutzen sie - in einer beliebten Formulierung - als „Sonden” der historischen Forschung. Vielfach diskutiert worden ist und hier nicht ausgefiihrt zu werden braucht, dafi demgegeniiber ein Rekurs allein ,,auf die Quellen selbst”, auf die Begrifflichkeit der untersuchten Zeit, fiir sich genommen ohne Erklärungswert bleiben mul? (oder dazu verftihrt, unser an die Quellen herangetragenes Verstandnis als deren „objektiven” Erklärungswert zu mif^deuten). Ebenso wie aus der Ethnologie gewonnene Denkmodelle imhistoriographischen Gebrauch nur ,,Sondenfunktion” haben können, darf ihnen auch im Hinblick auf ihre ethnologische Begriindung nicht etwa ,,Objektivität” im “ Freilich zuweilen um den Preis besonderer Erkenntnisprobleme geradc auf Grund der „teilnehmenden Beobachtung”; vgl. H. Fischer, Zur Theorie der Feldforschung, in: \t'. SchmiedKowarzik u.J. Stagl, Grundfragen (Anm. 1), S. 63 ft. (74 f,); ders., Feldforschung, in; ders., Ethnologie (Anm. 1), S. 69 ff. (71); H. VF. Schmitz, Zum Problem der Objektivitat in der volkerkundlichen Feldforschung, in: Zeitschrift fiir Ethnologie 101, S. 1 ff.

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