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152 kniipfung der Erfahrungshorizonte durch einen prägenden kulturellen Entwicklungszusammenhang.^* Die Rechtsethnologie mufi daher ebenfalls nach sonstigen Beriihrungspunkten mit dem Erfahrungshorizont der Menschen in der andersartigen Kultur fragen, urn wenigstens einen begrenzten Zugang zum Verständnis des fremden Rechts zu finden und nicht auf eine blofie „Aufiensicht” verwiesen zu sein. Unter dieser Fragestellung blieb ihr vornehmlich der Rekurs auf ein Residuum gleicher Grunderfahrungen mit Recht, das möglicherweise in mehreren oder alien Kulturkreisen unabhängig von einer konkreten historischen Verbundenheit anzutreffen ist. Die angelsächsische und französische Rechtsethnologie hat diesem Aspekt - wie einleitend vermerkt - besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Weitgehend aus diesem ethnologischen Kontext sind die neueren Lehren der B^Qchtsanthropologie hervorgegangen.^* Man wird - wiederumzugespitzt - sagen können, da£ iiber rechtsanthropologische Aussagen als Verständnisgrundlage in Hinblick auf ,,fremde” Kulturen teilweise ein Ersatz gewonnen wird fiir jene Identifikationsmuster, die sich mit begrenzterem Einzugsbereich, aber gröfierer Dichte fiir „Europa” kulturhistorisch begriinden liel^en. Fiir die rechtshistorische Germanistik ergibt sich insofern schon von der Verständnisgrundlage her eine Beruhrung mit der Rechtsethnologie: Soweit sie sich als hermeneutische Wissenschaft (im Sinne Gadamers) versteht, kann sie sich nicht (allein) auf den kulturgeschichtlichen Zusammenhang der Erfahrungshorizonte in forschender und erforschender Zeit stiitzen. Zumindest wenn sie sich den Entwicklungen vor der Herausbildung der europäischen Hochkultur zuwendet, bleibt sie ebenso wie die Rechtsethnologie auf allgemeinere, letztlich rechtsanthropologische Verständnisgrundlagen angewiesen. IV 1. Die bisherigen Uberlegungen haben uns auf das Problem der kulturellen Fremdheit scheinbar eigener Geschichte gefiihrt. Fiir die Zuwendung zur Ethnologie besteht damit in unserem Forschungsbereich eine ganz andere Ausgangslage als imHinblich auf die Moderne. Denn wir brauchen nicht eine uns unmittelbar vertraute Kultur zu ,,verfremden”, um gröfiere intellektuelle DiAbgesehen von einer geschichtlichen Verkniipfung ganz anderer Art, die allerdings besondere Erkenntnisprobleme aufwirft: Fiir die untersuchten Ethnien ist die eigenständige Entwicklung im Verhältnis zur europäischen Kultur zumeist bereits beendet, wenn sie Gegenstand der ethnologischen Eorschung werden. Die Ethnologie sieht sich insofern ,,im Schatten des Leviathan” (vgl. Spittler (Anm. 1): Was sie erforscht, ist im Zuge des Kolonialismus bereits von der modernen Staatlichkeit des europäischen Kulturraums erfafit und auf diesemWege mit ihr in einen geschichtlichen Zusammenhang gestellt worden. Davon abgesehen läfit sich aber eine historische Identität kultureller Erfahrungen imRahmen ethnologischer Forschung nicht voraussetzen. S. die Nachweise der neueren Literaturiibersichten (Anm. 18) und besonders die in letzter Zeit deutschsprachig erschienenen Werke von Roberts und Posptsil (Anm. 1).

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