151 telalters, bevor sich auf Grundlage einer ,,Aneignung” des Erbes antiker Kultur im Rahmen feudaler Strukturen eine neue Hochkultur iiberhaupt erst ausgebildet hat. Zu Recht begrenzt insofern der historiographische Sprachgebrauch die „alteuropäische” Gesellschaft eben auf jene sich erst im Verlaufe des Mittelalters ausformende Hochkultur.Umaus der Fiille der Komponenten kultureller Differenz beispielhaft nur drei herauszugreifen, die auch in anderen Beiträgen dieser Tagung angesprochen werden: Neben dem Fehlen von Urbanität^* unterscheidet zunächst gänzliches Fehlen, sodann weitgehender Mangel von Literalitat die uns befassenden Epochen von der ,,alteuropäischen” (und der mediterran-antiken) Hochkultur. Die Folgen fur die Denkstrukturen insgesamt sind jiingst verschiedentlich erörtert worden.^^ Mithin fehlt es in den uns befassenden Kulturen schliefilich an einem eigenen Sektor der Wissenschaft (mit entsprechender Differenzierung der Sozialstrukturen und der Denkformen), so daft wir weder auf diese Ebene der Reflexion fiber Recht rekurrieren noch iiberhaupt Zugangsmöglichkeiten innerhalb eines wissenschaftlichen Traditionszusammenhanges erhoffen können (anders als Beiträge dieser Tagung, die sich der Zeit der ,,alteuropäischen” Gesellschaft zuwenden und einen Zugang gerade vermittels der wissenschaftlichen Reflexion jener Zeit suchen). 3. Fragen wir nach den Folgen fiir die erwähnte Konzeption der Rechtsgeschichte als hermeneutischer Wissenschaft, so bedeutet das Fehlen einer engen kulturgeschichtlichen Verkniipfung der Erfahrungshorizonte in Gegenwart und Vergangenheit nicht zwangsläufig, daft jeglicher Verständniszusammenhang zwischen den beiden Polen des Erkenntnisprozesses verloren geht (und allenfalls ein „einseitiges” Subjekt-Objekt-Verhältnis bleibt). Gerade im Rahmen derartiger kulturgeschichtlicher ,,Fremdheit” stellt sich vielmehr eine Parallele der Rechtsgeschichte zur Ethnologie her, soweit diese sich Völkern ausserhalb des europäischen Kulturkreises zuwendet. Denn zwischen dem Ethnologen und seinem Forschungsgebiet fehlt es sodann zumeist ganz an der VerVgl. zumTerminus ,,Alteuropa” bei J. Burkhardt: W. Hardwig, Geschichtsschrcibung zwischen Alteuropa und moderner Welt, 1974; fur die neuere Verwendung des Terminus (auch in der Diskussion um die F.pochenbildung) insbes. D. Gerhard, Old Europe - A Study of Continuity, 1000-1800,1981. Zur Urbanität als Abgrenzungsmerkmal zwischen „archaischen” Gesellschaften einerseits und Hochkulturen bzw. ,,Zivilisation” andererseits vgl. etwa V' G. Childe, The Urban Revolution, in: Town Planning Review 21, 1950, S. 3 ff.; ders.. Social Evolution, 1951 (deutsch: Soziale Evolution, 1975). Grundlegend fiir die historisch-ethnologische Romparatistik schon die Abgrenzung von „Barbarei” und ,,Zivilisation” bei Morgan (Anm. 8); aus der neueren Literatur vgl. etwaJ. Goody 14. I. Watt, The Consequences of Literacy, in: Comparative Studies in Society and History V, 1963, S. 304 ff. Mithin fehlt es auch an einer spezifischen Zugangsmöglichkeit des Juristen aufgrund seiner Firfahrung mit dem wissenschaftlich durchfoimten neueren Recht (anders als fur die Neuere Privatrechtsgeschichte bei W/cac^er (Anm. 49), S. 425 f. zugrundegelegt). 11
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