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139 Ausmafi der Einbeziehung und die Gewichtung der Argumente sind sehr unterschiedlich. Bei der Suche nach einer Metaebene zur kritischen Reflexion des positiven Rechts unseres Kulturkreises scheint vereinzelt der Rechtsethnologie sogar der Rang zugemessen zu werden, den einst die Rechtsphilosophie und jiingst eher die Rechtssoziologie innehatten.’ Ähnlich hat sich die Geschichtswissenschaft auf verschiedenen Wegen und in unterschiedlichem Umfang der Ethnologie zugewandt, eher punktuell etwa bei der Anwendung- funktionalistisch-systemtheoretischer Ansatze auf ,,archaische” Sozialstrukturen oder ,,primitive” Naturverständnisse des Friihmittelalters, zunehmend in der Verbindung von ,,Sozialgeschichte und Kulturanthropologie” und insbesondere im Rahmen der ,,Mentalitätsgeschichte”.^ Die weitreichendsten Vorschläge zielen bier auf ein ,,Umschreiben der Geschichte” ■*; wesentlich mit Hilfe der Ethnologie erstreben sie ein ,,Andersschreiben” der Geschichte oder ein ,,Metaphorisieren und Ubersetzen mandere Redeweisen”.’’ 2. Zur Auseinandersetzung mit der Ethnologie sieht sich die deutsche rechtsgeschichtliche Forschung damit auf neue Weise herausgefordert. Der Austausch zwischen beiden Fachern hat an sich eine viel ältere Tradition. Nur mit sehr grofien Vorbehalten wird man sie sogar bis in die erste Halfte des Jahrhunderts zuruckfiihren können. Denn schon mit dem Aufbliihen der Germa¬ in: Zcitschrift fiir Rechtssoziologic, Bd. 1 (1980), S. 4 ff.; in Verbindung von Rechtstheorie und -geschichte in Hmblick aut den Evolutionsgedanken U. Wesel, Bemerkungen zu einer evolutionistischen Theorie des Rechts, in: D. Nörr u. D. Simon (Hrsg.), Gedächtnisschrift f. W. Kunkel, 1984, S. 523 ff.; weiterliihrend jetzt tiers., Friihformen des Rechts in vorstaatlichen Gesellschaften, 1985. - Zur Aufnahme dieses Diskussionszusammenhanges in der italienischen Rechtswissenschaft vgl. jetzt die Beiträge in: Quaderni Fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno 14, 1985. ^ Zum Ausgangspunkt der Darstellung von Rechtsbegriff und europäischer Rechtsgeschichte nimmt so U. Wcscl, Juristische Weltkunde, 1984, S. 21 ff., das ethnologische Fxempel einer afrikanischen Stammesgesellschaft. ’ Schon friih in der deutschen Geschichtswissenschaft in diese Richtung deutend - ohne sich indes bereits ausdriicklich auf die Fthnologie zu beziehen - R. Sprandel, Mentalitiiten und Systeme - Neue Zugange zur mittelalterlichen Geschichte, 1972; wegbereitend die historische Verhaltensforschung in der Schule von A. \’it$chkc, vgl. zusammenfassend ders., Historische Verhaltensforschung. Analysen gesellschafthcher Verhaltensweisen, 1981; in jiingster Zeit insbes. R. Bcndahl u.a.. Klassen und Kultur-Sozialanthropologische Perspektive in der Geschichtsschreibung, 1982; H. Medick, D. Sahean (Hrsg.), Fmotionen und materielle Interessen, 1984. Zu den vielfältigen weiteren Anregungen - insbes. aus der französischen Fcole des Annales und der angelsächsichen Fiteratur - sowie den unterschiedlichen deutschen Ansätzen vgl. H. Medick, ,,Missionare im Ruderboot?” - Fthnologische Frkenntnisweisen als Herausforderung an die Sozialgeschichte, in: Cieschichte und Gesellschaft 10 (Sozialgeschichte und Kulturanthropologie), 1984, S. 295 ff., sowie H. Schulze, Mentahtatsgeschichte . . ., in: Geschichte in Unterricht und Wissenschaft, 1985, S. 247 ff. - Ausfuhrliche Ubersichten zu Fragestellungen und Diskussionsstand in der Beriihrung von Geschichtswissenschaft und Fthnologie bei K. E. Muller, Grundziige des ethnologischen Historismus, K. R. Wernhart, Kulturgeschichte und Fthnohistorie als Strukturgeschichte, M. Szalay, Fthnologie als Geschichte, alle in: W. Schmied-Koccarzik u.J. Stagl, Grundfragen (Fn. 1). Vgl. U. Raulfj (Hrsg.), VomUmschreiben der Geschichte, 1986. Vgl. ebd., S. 14.

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