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133 ziiglich um jene Vermachtungsstrategien zu gehen, die in der täglichen Praxis des Juristen und juristisch orientierten Rechtshistorikers eher ausgeblendet werden. Dabei ist trotz alien Sanktionscharakters der juristischen Normalisierung weniger an staatliche Repression gedacht als vielmehr an die Vielzahl juristisch ge- und begriindeter gesellschaftlicher Mikromechanismen, mit denen Entmachtungsprozesse kongruieren. Statt Politik von Recht zu trennen, wie es die langsame Differenzierung der sozialen Felder suggeriert, soil die kulturelle Legitimation juristischer Provenienz den Schwerpunkt der Analyse bilden — ganz im Gegensatz zu jeglicher zeitgenössischen oder aktuellen, niemals jedock desinteressierten Fetischisierung, Universalisierung, kurz: Enthistorisierung rationaler Denkformen. Einschlägigen Rekursen der jiingsten Zeit auf Logik und Naturwissenschaft ist somit mit besonderer Aufmerksamkeit zu begegnen. Denn wenn etwa die juristische Rationalisierung der Moderne in seiner Komplexität als eine subtile Strukturierung sozialer Realität in der Form von reorganisierten Flerrschaftsstrukturen zu denken ist, dann, weil das Globalmodell des sozialen Zusammenlebens einem System entspricht, dessen Machtstrukturen kulturell gleichermafien determiniert wie reproduziert werden. Unter diesen Prämissen spricht alles dafiir, die Bourdieusche Kultursoziologie als den momentan adäquatesten analytischen Bezugsrahmen zu wahlen, um die Erforschung der juristischen Kulturtraditionen voranzubringen.^ Zumindest diirfte sie das heuristische Potential erhöhen, wofiir nicht zuletzt die Erfahrung steht, die mit der Operationalisierung dieses Modells in durchaus verwandten Bereichen gemacht wurde. Denn wie dort soziale Gesetzmäfiigkeiten der symbolischen Produktion im religiösen, politischen, kiinstlerischen oder Wissenschaftsfeld expliziert werden, diirfte vomAnsatz her auch eine ebenfalls auf die sozialpolitische Dimension kultureller Prozesse umgepolte Rechtshistorie iiber die Aufdeckung der örthch und zeitlich divergierenden Logiken juristischer Felder zur historischen Erhellung der modernen Gesellschaft beitragen. Diesbeziiglich geniigt es, speziell im Hinblick auf die symbolische Natur der Rechtsstruktur einzig und allein daran zu erinnern, in welcher Weise die symbohsche Macht eines sich rational vertretbar, schliissig gebenden und institutionell durchorganisierten Rechts im Konfliktfall selbst die von juristischer Autorität zu iiberzeugen versteht, die ein dergestalt naturalisiertes und scheinbar jedem anderen iiberlegenes Ordnungsmodell zu erleiden haben. Unter Riickgriff auf den gewählten theoretischen Rahmen und bei Vernachlässigung der eingangs erwähnten methodischen Vorschläge seien aus der Viel- ' Cf. zur Einfiihrung in d.is umhingreiche W'erk Pierre Bourdieus jetzt Alain Accardo/Philippe Corcutt, La sociologie de Pierre Bourdieu, Bordeaux 1986 (mit bibliograpliischem Nachweis); fur eine erste Annaherung an eine Analyse des juristischen Feldes cf. Bourdieu, La force du droit. F.lements pour une sociologie du champ juridique, in: Actes de la recherche en sciences sociales 64 (1986) 3-19; zur Umsetzung in eine Rechtshistorik neuzeitlicher Privatrechtsgeschichte cf. Scholz, Fdements (N. 1).

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