132 angedeutet der Einsicht auf, dafi allein der Bruch mit demjuristisch geprägten Grundkonsens der gängigen Rechtshistorie die epistemologischen Schranken iiberwindet, die dem ,,habitus” (Bourdieu) der dominierenden Verwalter juristischer Tradition eigen sind. Soli aber Rechts- als Sozialgeschichte eine Chance haben, tritt damit zwangsläufig die Ausbildung des Rechtshistorikers als RichterJurist ins Blickfeld, zumal iiblicherweise die fachliche Anerkennung, die Billigung von sogenannter wahrhaft rechtshistorischer Arbeit, vomgezeigten juristischen Verständnis abhängig gemacht wird. Wie das Beispiel der zumeist in den juristischen Lehrbetrieb integrierten, fachlich angesehenen deutschen Rechtshistoriker lehrt, gehören in erster Linie zu jenen ausbildungsbedingten, in der Folge gelebten und deswegen die iiberraschende Homogenität ihrer Produkte garantierenden Charakteristika ein ausgeprägt juristischer Entscheidungs-Pragmatismus, die Ausrichtung am Bild eines neutralen, objektiv entscheidenden Richters und eine grundsätzlich normative Sicht der Dinge. Dadurch wird historisches als relationelles Denken erschwert, praktisch jede distanzierte, theoretisch angereicherte Konstruktion des später empirisch zu uberpriifenden Analyseobjekts verunmöglicht. Statt dessen oszilliert der juristische Blick dem allgemeinen Verständnis zufolge typischerweise zwischen angeblicher Realität und Rechtsregel, mit der fatalen Folge fiir einzig juristisch geformte Rechtshistoriker, dal5 ihre harmonisierende, darumeuphemisierende, letztendlich den statuts quo begriindende Rekonstruktion von Konfliktgeschichte auf Kosten der Erkenntnis von beispielsweise historischer Diskontinuität und antagonistischer Sozialstruktur geht. Hieriiber versperrte man im Laufe der Zeit mehr und mehr den Zugang zur geschichtlich bedingten Konstitution des Rechtsdiskurses; die kritische, Alltagswissen und Wissenschaft trennende Distanz der möglichen Fremdbeobachtung wurde nicht hinreichend genutzt. Solche Rechtshistorie gleicht einer Soziologie des Rechts, die wider alle gesellschaftlich auferlegten Strukturbedingungen die von Luhmann* immer wieder betonte ,,Bifurkation” von wissenschaftlicher Fremd- und rechtlicher Selbstbeschreibung miBachtet, nur umetwa vorgeblich soziologische Erkenntnisse rechtsinternen Reflexionen offerieren, wenn nicht gar qua Wahrheit zum Nutzen der eigenen sozialen Position aufzwingen zu können. In demMaB, wie juristische Praxis und ihr rechtshistorisches Pendant als im Prinzip Macht stabilisierend erkannt werden, erscheint es geboten, weit iiber die bloBe Forderung nach Interdisziplinaritat oder Theoretisierung des rechtsgeschichtlichen Verstehens hinaus zunächst fur eine politische Analyse der juristischen Rationalisierungspraxis einzutreten. Komplement zum notwendigen Abstand gegeniiber jedem Erklärungsmodell, das seine Entstehungsbedingungen verneint, hat infolgedessen die Reformulierung des wissenschaftlichen Gegenstandes der rechtshistorischen Untersuchung zu sein. Hier hat es vor- ’ Niklas Luhmann, Die soziologische Beobachtung des Rechts, Frankfurt am Main 1986, insbesondere p. 44.
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