RS 15

Rechtshistorie als historische Kultursoziologie Johannes-Michael Scholz Wie jede soziologische Beobachtung des Rechts konstituiert sich Rechtshistorie als Wissenschaft, indem sie vornehmlich zu aller juristischen Rationalisierung auf Distanz geht. Juristische Arbeit als spezifische konzeptuelle Vermittlung von sozialer Polantät ist als gesellschaftliche Klassifikation begreiflich zu machen, wobei darauf zu achten ist, dafi die Kraft und Verbindlichkeit einer derartigen Taxinomie bzw. Hierarchisierung aus einem speziellen, autoritätsheischenden Befriedungsangebot an prinzipiell konfligierende Interessen resultieren. Vorrangig wird dabei nach Recht als geschichtlichem Produkt von oppositioneller Struktur, Funktionsweise und Transformation des juristischen Feldes gefragt. Mithin hat forschungsstrategisch die soziale Logik vonJuristentechnologie und juristischem Wissen im Mittelpunkt der rechtshistorischen Analyse zu stehen. Erst dort, wo es zentral um Konkurrenzkämpfe, Kompetenzkonflikte und Rechtsetzungsmonopole der selbst noch unter sich arbeitsteilig organisierten Ordnungsspezialisten geht, diirfte verständlich werden: Juristen sind ebenso feldintern, also objektiv gehalten, ihre Marktposition iiber grundsätzlich begriffliche Investitionen zu behaupten, wie sie mit solcher Akkumulation von juristisch-symbolischem Kapital den feldexternen Anforderungen nachzukommen haben. Gemäl? den unverriickbaren Bedingungen neuzeitlicher Arbeitsteilung werden und wurden sie dem nur dann gerecht, wenn zuallerst sie selbst die hierfiir erforderliche, adäquate rechtliche Legitimität durch professionelle Leistungen stiften. Folglich lag es in steigendem Mafi vor allem bei ihnen, möglichst fachjuristisch den Glauben an eine letztlich arbiträre, immer auch ungleiche Verteilung zu mobilisieren; eine Aufgabe, die - gemessen an der Alltagsakzeptanz - gesellschaftlich sinnvoll auch heute noch fiber das Artefakt einer den Verhältnissen entsprechenden, verhältnismäfiig gerechten sozialen Rechts-Ordnung vonseiten der Juristen zu lösen ist. Eine derartige Reorientierung' der rechtshistorischen Forschung ruht wie ' Cf. Johannes-Michael Scholz, Historische Rechtshistorie. Reflexionen anhand französischer Historik, in; Scholz (ed.), Vorstudien zur Rechtshistorik, Frankfurt am Main 1977, p. 1-175; Scholz, Elements pour une histoire du droit moderne, in: Joaquin Cerda Ruiz-Funes/Pablo Salvador Coderch (eds.). Primer Seminario de Historia del Derecho y Derecho privado. Nuevas técnicas de investigacion, Barcelona-Bellaterra 1985, p. 423-524; Scholz, Lobstacle épistémologique premier de Ihistorien du droit, in; Paolo Gross! (ed.). Storia sociale e dimensione giuridica, Milano 1986, p.275-312.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=