98 des Ersten Weltkrieges, um 1918, und in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts, und sie fanden ihr abruptes Ende mit dem Jahr 1933. Nach 1945 wurden diese Fragen in ihrer urspriinglichen Umfassendheit nicht mehr aufgegriffen. Die Theoriedebatten der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 haben offensichtlich den Rang und das Niveau jener Kontroversen des halben Jahrhunderts von etwa 1880 bis 1930 nicht mehr erreicht. Einige der Methodenstreite und Diskussionslinien jenes halben Jahrhunderts seien hier genannt. In den Zusammenhang gehört der erste Historismusstreit der Nationalökonomie zwischen Gustav Schmoller und Carl Menger (1883/84) sowie der sich daraus entwickelnde Werturteilsstreit, in dem dann Max Weber seit 1905 Stellung bezog; hierher gehören die seit 1889 und vor allem seit 1893 ablaufenden Methodenstreite in der Geschichtswissenschaft, so die Auseinandersetzungen um Karl Lamprecht, die Auseinandersetzung also iiber politische Geschichte und Kulturgeschichte. Aus dem Bereich der Philosophie ist zu nennen die ,Einleitung in die Geisteswissenschaften’, die Wilhelm Dilthey 1883 veröffentlichte, sowie die Auseinandersetzungen der sogenannten Neukantianer iiber die historische Erkenntnis, in denen die Trennungslinie zwischen Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft gezogen und der Begriff des Verstehens als zentraler Markierungspunkt dieser Trennungslinie etabliert wurde. Nach 1918 fanden diese Auseinandersetzungen ihre Fortfiihrung im Angriff der sogenannten dialektischen Theologie eines Karl Barth oder eines Rudolf Bultmann u.a. gegen die liberale und historische Theologie, deren herausragender Vertreter Ernst Troeltsch gewesen war. In der Philosophie wurde der Streit fortgesetzt durch die gegensätzlichen Stellungnahmen von Karl Jaspers und Martin Heidegger iiber Geschichtlichkeit, sowie in der Begriindung der Wissenssoziologie durch Max Scheler und Karl Mannheim. Es folgte schliefilich der zweite Historismusstreit der Nationalökonomie, dessen Manifest Walter Euckens Streitschrift ,Die Uberwindung des Historismus’ von 1938 darstellt. Die Initialziindung fur alle diese Kontroversen liegt aber in Nietzsches Schrift von 1874. Das Thema dieser Uberlegungen soil imfolgenden in vier Gedankenschritten entfaltet werden, an die sich dann einige abschlief?ende Bemerkungen anfiigen. Erstens soil das Historismusproblembei Nietzsche imHinblick auf die Wertfrage und die Frage nach der Objektivität historischer Erkenntnis dargestellt werden. Dann werden die drei Antworten gezeigt, die auf dieses Problem gegeben wurden: (1) die Antwort, die Nietzsche selbst gegeben hat, (2) die Antwort von Ernst Troeltsch, und schliel^lich (3) jene Antwort auf Nietzsches Fragen, die Max Weber in mehreren Arbeiten zwischen 1904 und 1919 skizziert hat. II In Nietzsches Schrift ,Vom Nutzen und Nachteil der Histone fur das Leben’ findet sich die erste umfassende Erörterung des Themas des Historismus, ob-
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