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88 tischer Organisationsstrukturen. Forscher schlossen sich zusammen, um sich mit ähnlichen Fragen zu befassen. Kein Milieu war der Theoriebildungförderlicher als die tägliche und enge Zusammenarbeit von Vertretern verschiedener Disziplinen zu Problemen, die ,,naturlich” miteinander verbunden waren. Diese wichtige Veränderung im Bereich der historischen Forschung ist also zumindest teilweise so zu verstehen, daft ein ziemlich grower Teil der Forschungsarbeit in Projektgruppen betrieben wurde. Fine Eigenschaft charakterisierte diese groBen Unternehmungen besonders: sie konnten erfolgreich um Forschungsmittel und Forschungsgeld konkurrieren. So waren z.B. an meiner Universität grofie Forschungsunternehmen herangewachsen, die sich mit den Prozessen der Migration vom Land in die Stadt oder mit den sozialen Folgen des DreiBigjährigen Krieges auf die Bevölkerung Schwedens befaBten. Die Forschungsergebnisse beider Gruppen hatten zur Folge, daB eine dutchgreifende Umarbeitung und Revidierung der Handbiicher zur schwedischen Geschichte notwendig zu sein schien. Die ,,ehrenvolle” GroBmachtstellung des Reiches schien auf dem Blut und dem Leiden des gemeinen Volkes zu bauen, und die Stellung des neu herangewachsenen Adels lieB sich zumTeil als Folge der Ausbeutung der bauerlichen Bevölkerung erklären. Die Mächtigen wuBten sehr wohl, ihre Macht zu benutzen. Nicht zuletzt dutch den Gebrauch materialistischer Denkmodelle wurde es möglich, die sozialen Spannungen innerhalb der Gesellschaft nachzuweisen. Die siegreiche GroBmacht des DreiBigjährigen Krieges war kein Beispiel fur eine gute Gesellschaft. Dieses Geschehen bildet natiirlich auch den Rahmen fiir die Rechtsentwicklung. Aber läBt sich die Rechtsgeschichte der schwedischen GroBmachtzeit wirklich dutch ein solches Denkmodell erklären, dutch den Verweis auf das Spannungsfeld zwischen starken Gesellschaftsgruppen und ausgebeuteten Unterklassen, also mit Hilfe eines traditionellen Konfhktmodells materialistischer Art? MuB man das Recht und die Rechtsentwicklung ohne weiteres als Waffe im Kampf zwischen einer eigentumsbesitzenden Gruppe der Obrigkeit einerseits und der machtlosen Hauptmasse der Bevölkerung andererseits verstehen? LäBt sich ein solches materialistisches Modell fiir die rechtsgeschichtliche Interpretation verwenden, auch wenn man vom zeitlichen Zusammenhang absieht? Ich wage es, hier ein deutliches Nein zu sagen. Die Verwendbarkeit der Konfliktzentrierung der materiahstischen Modelle hat ihre Begrenzung darin, daB das Recht mehr ist als ein Instrument zur Unterdriickung oder zur Legitimierung von Macht. Die Entwicklungen des Rechts im allgemeinen und die des Privatrechts im besonderen folgen der v/irtschaftlichen Entwicklung sehr eng. Aber damit ist nicht gesagt, daB das Recht zur bloBen Funktion der materiellen Kräfte der

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