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Die Veränderung des Rechts und ihre sozialgeschichtliche Voraussetzung RolfNygren Macht man sich heute, gegen Ende der achtziger Jahre, die Miihe, Werke älterer Kollegen zu lesen, kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, dafi zwischen 1960 und 1970 eine deutliche Grenzlinie innerhalb der Geschichtsforschung verläuft.' Damals standen Diskussionen iiber Metaprobleme und Paradigmen im Zentrum des Interesses. Das Bewufttsein von der Wichtigkeit der Theoriearbeit machte sich bemerkbar wie eine grofie Welle, die ans Meeresufer schlug. Fast jede Arbeit, fast jeder Aufsatz mufite mit einer theoretischen Erklärung oder einer Positionsbestimmung beginnen, oder auch seltener, mit einem ,,Glaubensbekenntnis”, um den Status guter Wissenschaft geniefien zu können. Die „Theoriebewufiten” durften sich oft — und zu einfach - als die wirkliche Gruppe der besseren Wissenschaftler ausgeben, während „die einfältigen Positivisten” nur als Halbforscher zweiten Ranges und ohne Perspektive bezeichnet werden konnten. Das Theoriebewufitsein wurde natiirlich iibertrieben. Aber fiir die Zukunft zeitigte das Bewufitsein von der Bedeutung der Theorie positive Ergebnisse. Die Forschung hatte sich den Fragen nach den grundsätzlichen Voraussetzungen fiir Wissenschaft im allgemeinen und fiir Geschichtswissenschaft im besonderen zu stellen. Die Auffassung setzte sich durch, dafi die Ergebnisse der Forschung im hohen Mal^e von den ethischen und politischen Interessen der Forscher selbst abhingen. Diese Schlufifolgerung war zumindest fiir einen Materialismus im Sinne der marxistischen Tradition förderlich. Der grofie Erfolg eines gesteigerten Theoriebewufitseins liegt jedoch meiner Meinung nach nicht imTheoriebewuf?tsein selbst, sondern in der Auffassung, dafi sich historische Forschung und Gesellschaftswissenschaften iiberhaupt am besten imRahmen grofier Projektgruppen und iiber begrenzte, aber gemeinsame Themen betreiben lassen. Der bestimmende Faktor dabei war aber nicht die Theorie selbst als zusammenhaltendes Element, sondern die nahe Ubereinstimmung der zu einem Projekt gehörigen Teiluntersuchungen. Was also vom theoretischen Ausgangspunkt her begonnen wurde, endete oft in Fragen prak- ' Ich danke sehr herzlich meinem Freund, Herrn Doz., Dr. Klaus Misgeld, der eine sehr wertvolle Kontrolle meiner Sprache unternommen hat.

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