ZuMFortwirkenvon Pufendorfs Naturrechts-Lehre 49 bei unserem engeren Thema: Pufendorf. Sein Handbuchlein lag schlieBlich der Wiener Naturrechts-Vorlesung damals zumGrund. Begreiflicherweise war es das Bestreben der katholischen Professoren, von den „protestantischen Vorlesebuchern“ fortzukommen. So entstanden denn auch —und anders als in den iibrigen juristischen Diziplinen des erneuerten Kanons — eine Reihe katholischer Naturrechts-Compendien. Ickstatt und von Martini sind die bekanntesten zuzuschreiben, ebenfalls gern zitiert und genutzt wurde das jus publicum universale Franciscus Schmiers von 1722, der seinerseits auf Bellarmin, Grotius und Pufendorf neben anderen Autoritaten fuBte.^® Während der friihen katholischen Reformzeit wurde haufig ferner auch Christian Wolff’s Naturrecht genutzt, habe Wolff doch — wie gelegentlich begriindet wurde — eine rechte scholastische PhiloSophie. Höchst bemerkenswert ist nun daB keines dieser Compendien zu gleichsamkanonischer Wiirde an den katholischen Universitaten aufriickte. Selbst die Lehrbucher des Freiherrn von Martini wurden keineswegs bevorzugtes oder c/as gebräuchliche Werk fiir Naturrecht in den Flabsburgischen Landen —und das, obwohl die österreichische Universitätsreformzentral von Wien aus gelenkt wurde! Noch erstaunlicher ist es, daB mit fortschreitender Gewöhnung an die „neue“ Jurisprudenz vermehrt wieder Pufendorf auftauchte als der Autor, der den Naturrechts- und Ethik-Vorlesungen zugrunde lag. Er iiberrundete alle anderen Autoren einschlieBlich Wolff, dessen Beliebtheit auch im katholischen Reich zumindesten in der Naturrechts-Lehre abnahm. Von Pufendorf wurde nun aber zumeist das kleinere Werk: De officio . . . benutzt. Die vielfaltigen Neuauflagen, die es während des 18. Jahrhunderts erlebte —darunter solche in Ingolstadt und Wien — erklären sich von daher. Pufendorf war c/er klassische Autor im katholischen Reich, er wurde hier viel nachhaltiger und anhaltender genutzt als an protestantischen Universitaten. Die Grunde fiir diese erstaunliche Erscheinung sind unterschiedlich. Ohne sie alle derzeit benennen zu können, scheint mir doch soviel als gesichert festzustehen: Rein äuBerlich hat die Handlichkeit, die knappe aber prazise und umfassende Zusammenfassung allgemeinster, ethischnaturrechtlicher Grundlagen der Gemeinwesen die Beniitzung von Pufendorf’s De officio . . . gefördert. Da die katholischen Universitaten auf den Vortrag dieser Materie nicht verzichten wollten und konnten, hat sich die traditionell beste (kurze) Darstellung gleichsam von selbst empfohlen. Des weiteren beförderte der Umstand, daB in Pufendorf ein „protestantischer“ Autor reformiertem katholischem Unterricht zugrunde gelegt wurde, seine Benutzung. Es erschien das als Ausweis des Modernen, aufgeschlossener ja aufgeklärter Toleranz, wissenschaftlicher Fortentwicklung. Sodann — Nähere Angaben in: Aufklärung und katholisches Reich; sowie Link, a.a.O.
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