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Notker Hammerstein 40 rend der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts fanden sich Vortrag und Lehrkanzel zumeist in der philosophischen Fakultät,-® ganz so wie Pufendorf ja selbst in Heidelberg und Lund. Anders wird das freilich dann an den katholischen Universitäten des Reichs sein. Dort befanden sich die Naturrechts-Lehrstuhle zumeist in der juristischen Fakultät, woriiber alsbald einiges zu sagen sein wird. Auch die Hallesche Schule publizierte Naturrechts-Lehrbiicher, Gundling und nachmals Achenwall, sowie Justus Henning Boehmer fiir das Jus publicum universale sind neben Thomasius selbst bekannte und vielgenutzte Autoren.-® Sie hielten ihre Compendien ganz im Sinne der genannten Auffassung. Die Anfangsgriinde jeder Rechtsgelahrtheit wurden dargelegt — zugleich mit und neben der Politic als Grifhdfächer der philosophia practica —, die aber den Zweck hatten, die eigentliche Rechtsordnung des Reichs, die hinwiederum „historisch“ als verniinftigerweise solcherart begriffen wurde, zu legitimieren. In diesen Lehrgebauden wurde sozusagen ein allgemeinster Ordnungsrahmen, ein ,,System“ im Sinne des 18. Jahrhunderts gegeben, nicht eine inhaltliche Anleitung und schon gar nicht etwas, das unmittelbar mit der Praxis, der Realität zu tun hatte.^® Selbsi Vgl. die Nachweise bei Denzer, 318 ff. -* Die betr. Werke des Thomasius s. Anm. 17 und 19; Nic. Hier. Gundling, Jus Naturae ac Gentium, Halle 1736®; ders., Ausfuhrlicher Discours iiber das Natur- und Völcker Recht ... in welchem die Lehren der natiirlichen Rechts-Gelahrtheit mit ncueren und deutlichen Exempein aus der Europäischen Staats- und Teutschen Reichs-Historic mehrers erläutert werden, Frankfurt a.M./Leipzig 1734. (Der Titel lälJt den gemeinten Zusammenhang gut erkennen!) J. H. Boehmer, Introductio in Jus publicum universale, Halle/Magdeburg 1773 (auch Frankfurt a.M./Leipzig 1758). Dort heiBt es u.a.: ..Insignem praeterea industriam et curam circa hoc ius excolendum suscepit Dm. Christian Thomasius et plura a Pufendorfio praetermissa vel supplevit vel emendavit et sic quoque, quae ad jus publ. universale spectant, magno iudicio pristino nitori restituit." 115 f. Es gait da in etwa allgemein, wie einer aus diesem Umkreis, Adam Friedrich Glafcy in seiner Vollständigen Geschichte des Rechts der Vernunft, Leipzig 1739 (Reprint Aalen 1965) formulierte: „So brauchbar und unentbehrlich nun das Recht der Vernunfft in sehr vielen Menschlichen Handlungen und Fällen ist; so sehr kan doch dassclbige gcmiBbraucht, und grosser Schaden damit angerichtet werden, wenn man sich dabey nicht in gehörigen Schrancken halt. Wer es bey den Biirgerlichen Gesetzen iiberall zur Norm machen, und nichts annehmen und passiren lasscn will, als was aus den Principiis der Vernunfft hergeleitet werden kan, oder doch mit denselbigen ubereinstimmt, wird in der Jurisprudentia civili nicht weit kommen, gestalten, denn die Erfahrung lehrt, daB das Jus Nat. denenjenigen, welche auf solche Arth mit dem Jure Civili verfahren an der Erlernung desselben mehr schädlich als niitzlich gewesen, und mehr unniitze Raisonneurs als brauchbare Advocaten und Urthelsverfasser gemacht hat. . . Es lehret auch diese Beschaffenheit der Menschen, . . ., die groBe Nothwendigkeit in der Republique zu leben, und daselbst seinen Verstand unter den Gehorsam der Obrigkeit zu geben, und gleichsam gefangen zu nehmen, welches alles jedoch verniinfftige Leuthc nicht abhalten kan, daB sie in der ErkänntniB menschlicher Wissenschafften, soviel möglich und die menschliche Schwachheit zuläBt, auf den Grund zu zu kommen, und von dem28

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