ZuMFortwirken von Pufendorfs Naturrechts-Lehre 37 scheidend, verändernd.-^ Im Grunde leistet nach Thomasius jede positive, existierende, gesetzliche Ordnung des Lebens in Gemeinschaft bereits diese Aufgabe, hat eine Funktion, die in der klassischen fruhmodernen Naturrechts-Lehre eben dies Naturrecht allein hatte. Sind Friede, Recht- als ziigig—gerechte Handhabung der einzelstaatlichen Gesetze —, Ordnung in einem Gemeinwesen gewährleistet, garantiert der vorgegebene, historisch ableitbare Gesetzeswille den Staatszweck, die Gliickseligkeit seiner Mitglieder einschlieBlich des Fursten, so hat eine solche positiv — historisch entstandene Rechtsordnung nahezu naturrechtliche Qualitat. Und auf die existierenden Rechtsordnungen kommt es Thomasius und seiner Schule vor alleman. Konkret gesprochen ist ihnen das die Reichs- Rechts-Ordnung. Die Disziplinen, die deren Kenntnis und Analyse vermitteln, werden denn auch bevorzugt fortentwickelt und integraler Bestandteil der neuen Halleschen Jurisprudenz. Schlagwortartig lassen sich diese Disziplinen ungefähr folgendermaCen benennen: das Jus publicum Romano-Germanicum, ein neues Strafrecht, ein modifiziertes Jus Canonicum — als jus circa sacra —sowie das Jus civile als auch Jus patrium. ProzeBrecht und Kunst der Gesetzgebung (ars legislatoria) treten als eher technische Disziplinen noch hinzu. NaturgemäB behält das Naturrecht als von weit hinten legitimierende Grundlage seine (philosophische) Bedeutung. Ein wenig verkiirzt lieBe sich sagcn, es ist eine vorjuristische Disziplin innerhalb der Philosophia practica. Gerade auch fiir die ars legislatoria oder als jus publicum universale behielt es seine Bedeutung. Das kann man selbst dort noch, wo auf dem Boden dieser Rechtsauffassung der angestrengteste Versuch einer ,,Systematisierung“ des Studien- und Wissenschaftsaufbaus gemacht wurde, gut sehen: bei Stephan Putter. Bezeichnenderweise nennt sich dieser Versuch ubrigens immer noch Enzyklopädie und noch nicht System, da im allgemeinen auBerhalb des Natur- und Völkerrechts solche Systematik damals noch kaumzu erreichen war.-- 21 Link, 343 ff. ” Johann Stephan Putter, Neuer Versuch einer juristischen Encyclopädie und Methodologie, Göttingen 1767. Dort heiBt es in den §§ 118 u. 119: ..Unter alien Theilen der Rechtsgelehrsamkeit gebiihret die erste Stelle dem Rechte der Natur, weil solches keinen anderen Theil der Rechte voraussetzt und hingegen zu alien iibrigen die allgemeinen Begriffe und Grundsätze enthält. Doch eben deswegen wird ein Lehrer dieses Rechts desto brauchbarer seyn, je mehr er von positiven Rechten und von einzelnen Rechtsfällen Kenntnis hat, wenn er anders zugleich philosophisch gnug denket, um solches alles auf begriindete allgemeine Begriffe und Sätze zu bringen. . . Mit dem Rechtc der Natur hat insoweit die Politik gleiche Beschaffenheit, da sie ebenfalls keinen anderen Theil der Rechte voraussetzt, und vielmehr fruchtbar an Sachen ist, die fast in alien Theilen der Rechtsgelehrsamkeit ein Licht anziinden können, in Sonderheit theils die Bewegungsgriinde, so die Gesetzgeber zu diesen oder jenen um
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