ZuMFortwirkenvon Pufendorfs Naturrechts-Lehre 35 muBte slch den PufendorPschen Naturrechts-Theorien und Erörterungen anpassen, wurde von ihnen zum Teil gar aufgesogen. Nahezu alle wissenschaftlichen Reformansätze dieser Zeit miindeten im Umkreis dieser Diskussion, sie war fiihrend und schlen zukunftsweisend. Ihr genuin auch juristischer Charakter hot die gesuchten notwendigen Möglichkeiten, urn die erwiinschte Freisetzung ,.staatlicher“ Tätigkeit von der Bevormundung durch die Theologie zu erreichend^ Die konfessionell weniger kampfbereite Zeit des ausgehenden Jahrhunderts konnte dank dieses Naturrechts —gegen energischen Widerstand protestantischer Theologie naturlich —eine mundanere Begriindung des Verhältnisses von Gemeinwesen und Kirche erzielen, ein Vorgang, der sich im kommenden Jahrhundert innerhalb des katholischen Reichs wiederholen sollte. Auch dort wuchs —wie noch zu zeigen sein wird — dem Naturrecht die Rolle legitimierender Beweisfuhrung in diesemZusammenhang zu. Nun, all dies ist in seinen Umrissen allgemein bekannt. Ich brauche das nicht neuerlich ausfiihrlich vorzufiihren. Es sollte hier nur daran erinnern, daB fiir die jiingeren ,,Reformer“ der protestantisch-orthodox iiberwucherten Universitaten die Naturrechts-Lehren eine entscheidende Bedeutung hatten. Am folgenreichsten war das bei Christian Thomasius, um gleich zu ihm vorzustoBen. In der Aneignung Pufendorfs, in der Auseinandersetzung mit Grotius — sein Vater hatte ihn damit bekannt gemacht, — fand er zu seiner höchsteigenen Betrachtungsweise der Welt und der Menschen.^^ Indemer in Frankfurt an der Oder iiber Grenzfragen zwischen Natur- und Völkerrecht, Sittenlehre und Politic dozieren konnte, erkannte er „daB ich bisher nichts gewuBt, sondern meine Wissenschaft nicht mehr gewesen als ein verworrener Mischmasch vieler unordentlich untereinander geworffener Dinge“. Gerade die Beschäftigung mit Pufendorf, dessen Lehrmeinung er zunachst als haretisch angesehen hatte, wovon ihn schlieBlich nicht nur die Lekture der Eris Scandica abgebracht hatte, brachte diesen Durchbruch zur eigenen Erkenntnis. „Nachdem ich nun das Joch der Sektiererischen Philosophic abgeworfen — schreibt er an anderer Stelle dazu —habe ich von derselbigen Zeit an mich fleiBig in acht genommen, daB ich die einmahl erlangte Freyheit erhalten möchte“.^® Die konnte er sich in der Tat erhalten, er dem alsbald in der Neugrundung Flalle eine offene, von Tradition unbelastete Universität auBerordentliche geistige Möglichkeiten bot. So wurde auch Thomasius rasch bekannt, er konnte weithin und vor allem schulbildend wirken. Gotthold Stolles N. Hammerstein, Samuel Pufendorf, in; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hrsg. V. M. Stolleis, Frankfurt a.M. 1977, 174 ff. Vgl. allgemein Jus und Historie, a.a.O., sowie N. Hammerstein, Thomasius und die Rechtsgelehrsamkeit, in: Studia Leibnitiana, XI, 1, Wiesbaden 1979, 22 ff. Die Zite. in Jus und Historie, 47.
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