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Notker Hammerstein 34 keineswegs als Mangel an rationaler Ordnuiig, an verniinftigem Aufbau ihrer Rechtswelt und schon gar nicht als Hemmschuh bei der Verwirklichung von Gerechtigkeit.® Eine andere Einstellung zum Naturrecht als sie in Westeuropa iiblicli wurde, als sie auch Pufendorf vertrat, ist dafiir fraglos mitverantwortlich. Das wird alsbald zu charakterisieren sein, nachdem zunächst der historische Ablauf der in unserem Zusammenhang bedeutsamen Dinge kurz aufzuzeigen gesucht ist. Das Erscheinen der Pufendorf’schen Werke löste rasch intensive Auseinandersetzungen aus.® Insbesondere bei den ein wenig jiingeren Gelehrten fanden sie starke Resonanz, verstärkten sie die seit Grotius neu aufgebrochene Diskussion iiber die Grundlagen der Gemeinwesen und ihre jeweiligen Rechtsordnungen. Denn die bisherigen, von der protestantischen Orthodoxie vertretenen Lehrmeinungen iiber das naturliche, von Gott eingepflanzte Recht gerieten nunmehr in Bedrangnis wie auch die theologische Begriindung der innerweltlichen Ordnungen als solche. Das neue, verbesserte Naturrecht hingegen schien gar manchem die Schliissel fiir die unsicher gewordene Erklärung der Gemeinwesen und ihrer Aufgaben bereit zu halten.^® GewiB konnte Pufendorf „nur“ bei den Artisten iiber diese Materien vortragen und es verblieben noch viele der später inaugurierten Lehrstuhle innerhalb der philosophischen Fakultaten. Aber vorab die Juristen —von denen aufgrund ihrer gröBeren Praxisnähe eigentlich eine weniger starr-orthodoxe Einstellung hätte erwartet bzw. unterstellt werden konnen, es zeigt das eben die weithin unbewegliche Haltung der Universitäten nach dem DreiBigjährigen Krieg^^ —die Juristen vorab also diskutierten diese Lehren zu Ausgang des Jahrhunderts. Naturrechts-Fragen erschienen als das Modernste, das Neue, Zukunftsweisende. Sie losten vielfach auch die andere, „neuere“ Diskussion ab, die damals beispielhaft in Helmstedt gefiihrt worden war. Der dortige Aristotelismus in seiner speziellen Verbindung von Philosophia practica (Politic) und Jurisprudenz, mitgetragen von einer irenischen (Calixt’schen) Theologie,^- ** Vgl. dazu u.a. N. Hammerstein, Jus und Historie, Göttingen 1972; ders., Jus Publicum Romano Germanicum, in: Diritto e Potere nella Storia Europea; Atti del’IV. Congresso Internazionale, Societa Italiana di Storia del Diritto, Firenze 1982; ders., Reichs-Historie, in: G. Iggers, u.a., Hrsg., Die historische Forschung im 18. Jahrhundert, Göttingen 1986. J. Bruckner, Staatswissenschaft, Kameralismus und Naturrecht, Miinchen 1977. ® Grundlegend zu Pufendorf H. Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, Miinchen 1972. Allgemein vgl. hierzu auch A. Passerin d’Entreves, Natural Law, London 1967®. N. Hammerstein, Die Universitaten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als Ort der Philosophie des Barock, in: Studia Leibnitiana, XIII, 2, Wiesbaden 1981, 242 ff. H. Dreizel, Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat, Wiesbaden 1970; Ferner die Beiträge in M. Stolleis, Hrsg., Hermann Conring, Berlin 1983.

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