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22 Horst Denzer In seinem bedeutenden Brief an Johann Christian Freiherr von Boineburg, den kurmainzischen Minister, hat Pufendorf 1663, also am Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn, anschaulich beschrieben, wie er von der aristotelischen Philosophie her zum Naturrecht gekommen ist. Er wollte nicht bei einer bloBen auf Autoritäten gestutzten lehrmaBigen Wiedergabe der praktischen Philosophie stehen bleiben, sondern sie zu einer Wissenschaft mit sicherer Erkenntnis weiterentwickeln. Gerade, wenn er bedauert, daC die philosophia moralis, die aus der Vernunft abzuleiten ist, durch die theologia moralis der Scholastik und der protestantischen orthodoxen Schulphilosophie verdrangt wurde, wenn er also die rationale Wissenschaft des innerweltlichen moralischen Handelns ausgrenzen möchte, gebraucht er fiir diese Wissenschaft die Begriffe philosophia moralis und jus naturale häufig synonym. Freilich möchte er die traditionelle praktische Philosophie nicht einfach wiederbeleben, sondern die alte aristotelische Ethik, die er ebenso wie die des Plato und des Cicero fiir eine ,,particuliere“ hält, die nur jeweils fiir das betreffende Gemeinwesen gilt, durch die „ethica universalis“ ersetzen, die die allgenielnen Prlnzipen fiir jede besondere Ethik enthalten soli. Besonders stark ist die Affinltat des Naturrechts zur Politik als Teilbereich der Praktischen Philosophie. War doch die Politik des Aristoteles sehr viel anfälliger als die Ethik fur ein Veralten auf Grund der Veranderungen, die sich imStaatensystemgerade im17. Jahrhundert ergeben haben. Es war hier umso notwendiger neue allgemeine Prinzipen fiir die differenzierte politische Praxis zu finden. Pufendorf zahlt deshalb an mehreren Stellen, am eindrucksvollsten in seiner Dissertation ,,De concordia verae politicae cum religione christiana“, sein Naturrecht zur Politik, und zwar zur wahren Politik, die aus urspriinglichen Prinzipien abgeleitet ist. Auch hier will Pufendorf die spezielle Politik des Aristoteles, die nur fiir die griechische Polis gilt, durch die allgemeinen Prinzipien der Politik ersetzen. Das Naturrecht ist insofern ,,politica architectonica“, „die Architectur und die Baukunst imgroBen Gewölbe des Gorpus Politlcus“. Das Naturrecht soil also bei Pufendorf die alte Ethik und Politik ersetzen. Es ist Ethik und Politik, aber mit dem Anspruch einer wahren Wissenschaft, „scientia justi et injusti, aequi et iniqui“. Es ist ,,genuina et solida doctrina moralis et civilis“ und soil „verae scientiae mensuram implere“. Das Naturrecht soil bei Pufendorf aber nicht nur die Grundlagenwissenschaft fiir Ethik und Politik sein, sondern auch fiir die Jurisprudenz. Darauf verweist schon der Titel der Fruhschrift: „Elementa jurisprudentiae universalis“. Das Naturrecht soli die Fundamente legen fiir die „doctrina moralis“ und die „universa jurisprudentia” und die Basis fiir die Ausbildung der Studenten des biirgerlichen Rechts sein. Das Naturrecht soli

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