Samuel Pufendorfs Naturrecht 19 darauf, die Grundlinien ins Gedächtnis zuriickzurufen, um dann die Einordnung des Naturrechts in das Wissenschaftssystem und die Lehre an den Univers itäten des 17. Jahrhunderts zu untersuchen. II Das Ziel des Naturrechts war fiir Pufendorf, alle Rechtsverhältnisse, die dem Menschen aus verschiedenen Ständen und verschiedenen Gemeinschaften entstehen, auf Grund der naturlichen Erkenntnis durch die Vernunft in ein geschlossenes System zu bringen. Pufendorf beginnt sein Hauptwerk mit Reflexionen iiber den Unterscliied von physischer Natur, die sich in den Kausalbeziehungen und GesetzmäBigkeiten der Materie erschöpft, und der moralischen Natur, die entsteht, indem mittels des freien Widens und der Vernunft der physischen Natur Werte beigelegt werden; dieses moralische Sein ist die Grundlage fiir menschliches Handeln und die Beziehungen immenschlichen Gemeinschaftsleben. Diese Reflexion ermöglicht ihm zum einen die Unterscheidung der Natur- von den Moralwissenschaften nach ihren Gegenständen und der Sicherheit der wissenschaftlichen Erkenntnis und die Einordnung des Naturrechts in die Moralphilosophie. Zum andern gewinnt er eine genaue Bestimmung der menschlichen Natur als Grundlage fur des Naturrecht. Die menschliche Natur ist erst vollkommen durch ihre moralischen Komponenten der Vernunft, des freien Widens und der Bindung an ein Gesetz. Das ist die Grundlage fiir die Entstehung von Verpflichtung, aus der Rechtsbeziehungen und Rechtsanspriiche erwachsen. Recht ist fiir Pufendorf nicht ein Hobbesscher Anspruch des Individuums auf alles, sondern die Folge der Verpflichtung zum Sozialleben. Das Individuum ist kein absoluter Wert; menschliche Natur weist vertikal und horizontal daruber hinaus: vertikal in der Unterordnung unter das Gesetz, horizontal in dem Nebeneinander und Aufeinanderangewiesensein der Menschen imSozialleben. Entsprechend dieser Bestimmung der menschlichen Natur weist Pufendorf in der Fiktion des Naturzustands nach, daB dieser allein nach den Regeln des Naturgesetzes geordnete Zustand sowohl wegen der Unsicherheit der Befolgung des Gesetzes als auch wegen der Labilität und Krisenanfälligkeit der mitmenschlichen Beziehungen nicht der moralischen Verpflichtung der nach Vollkommenheit strebenden menschlichen Natur angemessen ist. Das Fundamentalgesetz des Naturrechts, die Verpflichtung zur gegenseitigen Sozialität und die daraus folgenden absoluten Pflichten des Menschen, nämlich: Unverletzlichkeit des anderen, Rechtsgleichheit aller Menschen, Ubung der Menschlichkeit und Vertragstreue, können sich deshalb erst in besonderen Vertragsverhältnissen und menschlichen Gemeinschaftsformen in gestufter Vollkommenheit realisieren.
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