Hans Thieme 14 beherrscht werden. Die Folgen einer solchen ,Reform' wiirden verheerend sein; ich habe an anderer Stelle versucht, dies aufzuzeigen. Videant Consules, ne quid res publica detrimenti capiat! Und gerade das Beispiel Samuel von Pufendorfs sollte uns zeigen, wie wesentlich fur den selbstandig denkenden Juristen heute wie damals die geschichtliche und philosophische Bildung und Besinnung ist. Zum zweiten vermag uns — und dies ist wohl das wichtigste — die Betrachtung von Pufendorfs naturrechtlicher Methode den Wert selbständigen, weltanschaulich abgesicherten Denkens auch gegeniiber dem positiven Recht darzutun. Dieses sucht eine Werte-Ordnung zu verwirklichen, die wir bejahen und der wir als Juristen, jeder an seiner Stelle, zu dienen verpflichtet sind. ,Grundwerte sind' — so hat es Bernd Uhl formuliert —,jene objektiven, naturrechtlichen Werte, die sich aus der bloBen Existenz des Menschen ergeben. Die Wiirde des Menschen ist deren oberster Grundsatz, mit demdie Grundwerte Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität verbunden sind.‘ In einemStaat zu leben und zu wirken, dessen Grundwerte nicht die eigenen sind, bedeutet eine schwere Last und Gefahr. Wer diesen Zustand gekannt und so oder so bewältigt oder erlitten hat, weiB ein Lied davon zu singen. Erst vor wenigen Tagen hat der deutsche Bundesprasident Professor Carstens die ,moralische Wertorientierung', ohne welche auf die Dauer keine menschliche Gesellschaft bestehen könne, also die Ausrichtung an Werten wie Nächstenliebe und Toleranz, als einen der drei Schwerpunkte seiner Amtsfiihrung bezeichnet. Als den zweiten nannte er iibrigens die Bewahrung des GeschichtsbewuBtseins, als dritten das Gespräch mit der jungen Generation. 1st es nicht, als begegneten wir auch hier wieder demGeiste Pufendorfs, seinemGrundwert ,socialitas‘.^ Auch dies ist wieder ein Beitrag zu unseremThema ,Pufendorf und unsere Zeit'! Konflikte zwischen jenen Werten und der Anwendung des geltenden Rechts imEinzelfalle, wie sie der Gesetzgeber vielleicht nicht vorausgesehen hat, wird es immer wieder einmal geben, Im allgemeinen läBt das Gesetz dann aber doch auch wieder geniigend Spielraum oder gibt es einen Umweg, der auch ein Schleichweg sein mag, die Werteordnung zu verwirklichen. Das Urteil des Richters und dasjenige des Anwalts iiber ein und denselben Tatbestand können verschieden ausfallen, und doch sollten beide dem Recht zu dienen suchen. Werte können aber auch pervertiert werden. Wir nennen zumBeispiel heute ,sozial‘ ein Mietrecht, das demMieter auf Kosten des Vermieters allzu weit entgegenkommt und damit die Bereitschaft, iiberhaupt zu vermieten, nachteilig herabmindert. Oder wir betonen bisweilen nur die sogenannte ,Sozialbindung‘ des Eigentums —zum Beispiel imHinblick auf die Hausbesetzungen —ohne andererseits gleichzeitig auch der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums geniigend Rechnung zu tragen. In alien solchen Fragen vermag uns die Werte-Ordnung
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