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PUFENDORF UND UNSERE ZeIT 13 nachlässigt —die sogenannten ,nachmateriellen Werte', wie es dieser Tage imDeutschen Bundestag der Vorsitzende der Enquete-Kommission Jugendprotest im demokratischen Staat* gesagt hat? Wir könnten noch vieles aus Pufendorfs Darlegungen zumFamilien- und auch zumErbrecht heranziehen, aber leider reicht uns hierzu die Zeit nicht. Ich wollte ja auch nur zeigen, wie gegenwartsnah dies alles auch heute noch ist! 5. SchluB Damit kommen wir endlich zum letzten Abschnitt dieses Vortrags, zum SchluB. Wir haben versucht, Pufendorf kennen zu lernen auf eine Weise, die vielleicht demHistoriker, demPhilosophen, dem Politologen zu primitiv erscheinen wird, die in seinen Augen ,wegen einer unhistorischen Anlegung moderner juristischer MaBstabe Pufendorf nicht gerecht' zu werden vermag.^° Aber es kam uns ja gerade darauf an, ,Pufendorf und unsere Zeit' miteinander in Verbindung zu setzen: die Präsenz vieler von ihm behandelten Fragen, die Fruchtbarkeit seiner Methode aufzuzeigen, seinen ,rucksichtslosen Wahrheitsmut', umeinen Ausdruck Hans Welzels zu gebrauchen. Was ihn am tiefsten motiviert hat, war seine religiöse Uberzeugung, und dennoch hat gerade er dazu beigetragen, das Naturrecht von der Theologie zu befreien. Er kannte das Römische Recht, die antike und mittelalterliche Philosophie und Geschichtsschreibung wie kaumein anderer, aber sie waren fiir ihn immer nur Material zur Begriindung der eigenen, naturrechtlichen Auffassungen. Was wir daraus lernen können, ist zum ersten die Notwendigkeit fiir den Juristen, dem positiven Recht seiner Zeit nicht ohne eigene geschichtliche und philosophische Bildung gegeniiberzustehen. Eine solche hat bei uns in der Bundesrepublik Deutschland und in manchem anderen europäischen Lande auf erschreckende Weise abgenommen. Die heutigen Schulen und das Universitatsstudium vermitteln dieselbe nur noch bruchstiickweise oder garnicht. Geschichte kann der Oberschiiler ,abwahlen‘ oder sie wird nur noch als Erganzung des Fachs ,Gemeinschaftskunde‘ und im Rahmen des ‘Einheitsbereichs' Gesellschaftslehre unterrichtet —eine Regelung, die der hessische Staatsgerichtshof dieser Tage erst als verfassungswidrig bezeichnete, indem er zugleich den ,selbständigen Bildungswert' des Schulfachs Geschichte betonte. Von der Rechtsgeschichte soli nach den jiingsten Vorschlägen zur Reform der Juristenausbildung kiinftignur noch ein ,Uberblick iiber die geistesgeschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen des Rechts (Rechts- und Verfassungsgeschichte der Neuzeit)' gekannt und So H. Denzer in seiner wertvollen Ausgabe von Pufendorfs beriihmter Schrift ,Die Verfassung des deutschen Reiches' (Reclams Universalbibliothek Nr. 966), S. 213.

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