Pufendorf und unsere Zeit* Von Professor Dr. Dres. h. c. Hans Thieme, Freiburg in Br. Bei Diderot in ,Rameaus Neffe‘ heiBt es einmal —wir zitieren hier Goethes Ubersetzung von 1805 —: ,Kamen Pufendorf und Grotius auf die Welt zuriick, sie sturben vor Hunger an einem Prellstein.*^ Wir wiirden heute sagen: damals, 1760 als der Herausgeber der beriihmten Enzyklopädie jenes Drama schrieb, vor der Declaration of Independence, vor der französischen Revolution, vor der Erklärung der Menschenrechte, erschienen Diderot jene Naturrechtler Grotius und Pufendorf noch so einfluBlos und vergessen wie ein ,Stadtstreicher‘ ohne festen Wohnsitz, der sich an einem Prellbock auf der StraBe hinlegt und verhungert. Aber kurz danach hat sich das Bild unter dem EinfluB der Ereignisse in Frankreich und in den Vereinigten Staaten noch im 18. Jahrhundert entscheidend gewandelt. Wir nennen heute Samuel von Pufendorf einen der wirkungsmachtigsten Gelehrten iiberhaupt, dessen Schriften Geschichte gemacht haben in zahlreichen europaischen und aussereuropäischen Ländern. Seiner gerade hier in Lund zu gedenken, wo er seine wichtigsten * Elne französische Fassung dieses Vortrags ist 1982 im .Boletim da Faculdade de Direito' Vol. LVIII der Universität Coimbra zum Gedenken an die Professoren Dres. Paulo Meréa und Guilherme Braga da Cruz erschienen. Beide Gelehrten haben sich mit Samuel von Pufendorf und seiner Wirkung auf die portugiesische Rechtswissenschaft befaBt; es sei hier erinnert an den Aufsatz von Meréa ,Escolastica e jusnaturalismo — o problema da origem do poder civil em Suarez e em PufendorfP in der oben genannten Zeitschrift, Band XIX, 1943 sowie an die Schrift von Braga da Cruz ,0 direito subsidiario na histdria do direito portugues' von 1975. Und schlieBlich behandeln nun auch mehrere Arbeiten ihres Schulers und Nachfolgers Professor Mario Julio de Almeida Costa in Coimbra die ,Loi de la bonne raison' (Lei da Boa Razao) von 1769 und die von den ,regies fondamentales de droit naturel et divin' beeinfluCten Reformen Pombals. ' Sophien-Ausgabe Bd. 45, Weimar 1900 S. 130. Vgl. zur damaligen Situation auch Paul Hazard, Die Herrschaft der Vernunft. Das europäische Denken im 18. Jahrhundert, Hamburg 1949, S. 230; ,Die Gärung der Ideen, die scheinbar nichts änderte, verstärkte aber doch den Gerechtigkeitswillen.' Hierzu jetzt auch K. Luig in seinem im Lit.-Verz. angefiihrten Aufsatz.
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