RS 12

PUFENDORF, KaRL OlIVECRONA UND DIE GeGENWART setzt der Begriff ,,geltendes Recht" lediglich voraus, dass jede Rechtsnorm zu einem normativen System gehört, das man im grossen und ganzen moralisch rechtfertigen kann. Diese Voraussetzung entspricht einer Rechtfertigung: es ist moralisch gesehen besser, dass eine Gesellschaft eine institutionelle Rechtsordnung etabliert, die manchmal zu moralisch gesehen unrichtigen Konklusionen fiihrt, als die Angehörigen der Gesellschaft dazu zu zwingen, dass sie (autonom) ohne rechtliche Hilfe all die komplexen Situationen, die in einer modernen Gesellschaft auftreten, beurteilen. Weil die menschliche Kapazität begrenzt ist, wiirde die zweite Alternative weniger Obereinstimmung, mehr Gewalt undweniger Effektivitat herbeifuhren. Es ist also laut der moralischen Argumentation besser, die autonome Moral im Interesse des institutionalisierten Rechts einzuchränken. Demnach ist es moralisch gesehen gut, die Rechtsquellen festzulegen, die dazu beitragen, soziale Konflikte zu lösen. Es ist auch von moralischem Wert, den juristischen Diskurs zu etablieren, weil die Rechtsquellen manchmal einige soziale Konflikte ungelöst lassen, Zuletzt ist es auch moralisch gesehen wcrtvoll, dass ein Rechtssystem iiber autoritative gerichtliche Entscheidungen verfiigt, weil nicht einmal der optimale juristische Diskurs alle sozialen Konflikte lösen kann. Jede Rechtsnorm, ganz abgesehen von ihrem Inhalt, ist also im folgenden schwachen Sinne moralisch gerechtfertigt: sie gehört einer Ordnung der diskutierten Art an, und jede solche Ordnung ist moralisch gesehen besser als gar keine. Zu beweisen, dass eine gegebene konkrete Rechtsordnung einer anderen Rechtsordnung moralisch iiberlegen 1st, ist eine ganz andere Sache. 135 6. Das rechtliche Sollen und das moralische Sollen —Fortsetzung. Die Rechtsdogmatik als Kompromiss zwischen der deskriptiven Rechtstheorie und der normativenMoraltheorie Die Rechtsdogmatik driickt den akzeptablen Kompromiss zweier Komponenten aus, die im Idealzustand unterscheidbar sind: Die erste ist eine wahre wissenschaftliche Beschreibung der Rechtsquellen (und somit eine wahre Beschreibung von etablierten Wertungen); sie hat den weiteren Vorteil, dass sie die Rechtssicherheit befördert. Die zweite ist eine stetige Erzeugung neuer Wertungen. Es ist moralisch gesehen besser fiir eine Gesellschaft, eine „gemischte'‘‘‘ Rechtsdogmatik zu haben als irgendeine Alternative dazu, wie z.B. die uneingeschränkte Oberherrschaft der Moral (d.h, die unbegrentzte Souveränität eines moralischen Individuums in juristischen Fragen), oder die uneingeschränkte Oberherrschaft der Rechtsquellen (das heisst, eine biirokratische Ordnung, die ausserstande ist, Veranderungen in der Moral zu folgen).

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=