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Gunnar Bramstång 54 Die Debatte, die dariiber in den Jahren 1952—1979 gefiihrt wurde, war meistens auf die Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter konzentriert. Infolge dieses ideologiscben Ausgangspunktes schenkte man den Einwendungen wenig Beachtung, die gegen ein voll kognatisches Thronfolgesystemimallgemeinen sowie gegen dessen Einfiihrung in Schweden in dem aktuellen Zeitpunkt insbesondere erhoben werden konnten. In letzterer Beziehung verdient vor allem der Gesichtspunkt der RUckwirkung Aufmerksamkeit. Prinz Carl Philip, der am 13. Mai 1979 geboren ist, erwarb seine Vorrechtsstellung als Thronfolger nach den Bestimmungen von 1810, um diese durch Beschluss des Reichstages vom 7. November 1979 zu verlieren. Ein klareres Beispiel einer riickwirkenden Grundgesetzgebung diirfte kaumzu finden sein. Die Gesetzgebungstechnik bei der Grundgesetzänderung von 1979 fiihrte zu gewissen belastenden Inkonsequenzen sowie zur Konservierung mehrerer Unklarheiten des urspriinglichen Gesetzestextes. Die altertiimliche Einleitung zur Erbfolgeordnung von 1810, die eine agnatische Thronerbfolgeordnung betrifft und deutliche Anspielungen auf eine friihere, änders gestaltete Staatsverfassung mit dem König an der Spitze der Staatsregierung enthält, ist unverändert mit den neuen Gesetzestexten kombiniert worden, die ein voll kognatisches und folglich ganz wesensverschiedenes Thronfolgesystem zum Ausdruck bringen und sich einer staatsrechtlichen Lage nach der neuen Verfassung anschliessen, worin der König aus der Reichsregierung ausgeschlossen wird. Der Inhalt von § 4 der Erbfolgeordnung, der u.a. die Bedeutung eines Ahfalls von der reinen evangelischen Lehre behandelt, ist seit dem vorgehenden Jahrhundert diskutiert und zum Gegenstand verschiedener Auslegungen gemacht worden. Die Verschiedenheiten betreffen die Frage sowohl der Möglichkeiten fiir den Abtriinnigen selbst, das Thronrecht durch Riickkehr zur vorgenannten Lehre wiederzugewinnen, als auch die Bedeutung des Abfalls fiir dessen Abkömmlinge in nachfolgerechtlicher Beziehung. Ein durch den Wortlaut der Bestimmung veranlasstes Problem, das auch nicht als völlig geklärt zu betrachten ist, betrifft die Frage, wie man verfahren soil, wenn der Thronerbe wohl in der rechten Lehre, aber ausserhalb der Reichsgrenzen erzogen wird. In den Vorarbeiten des Gesetzes und in der Doktrin vorgelegte Lösungsvorschläge können kaum als ganz iiberzeugend bezeichnet werden. Der Grundgesetzgeber hätte im Zusammenhang mit der Änderung von 1979 eine sorgfältige LJeberlegung auch den Problemen widmen sollen, die entstehen können, wenn der Thronerbe seine schwedische Staatsangehörigkeit verliert. In Vorarbeiten und Kommentaren macht sich eine Neigung bemerkbar, die in Kap. 5 der Verfassung formulierten Berechtigungserfordernisse zur Ausiibung einer vorläufigen Reichsverweserschaft mit der Frage der Beibehaltung des Thronrechts fest verketten zu wollen. Eine solche Zusammenkopplung ist jedoch weder einem unzweideutigen Grundgesetzestext zu entnehmen noch erscheint sie völlig notwendig. Gewisse Schwierigkeiten können auch bei sog. doppelter Staatsangehörigkeit, d.h. beim Erwerb einer ausländischen unter Beibehaltung auch der schwedischen Staatsangehörigkeit entstehen. Insgesamt erweckt die schwedische Erbfolgeordnung nach der 1979 durchgefuhrten Reform einen unverkennbaren und fiir den Beobachter etwas schwerverständlichen Eindruck von Disharmonie und ungelösten Problemen. Die Aufgabe der Erzielung einer durchgreifenden, harmonisierenden Ueberpriifung dieses fiir eine Monarchie nicht unwesentlichen Teiles des Staatsrechtes hat der Grundgesetztgeber 1979 der Zukunft uberlassen.

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