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429 Königsmacht eine göttliche Einrichtung sei, und dass folgerichtig auch jede Einschränkung der königlichen Befugnisse eine Tat gegen den Willen Gottes darstellte. Die Erklärung veranlasste die Kommission, in ihrem Urteil festzusteilen, dass die Obrigkeit zwar gottgewollt sei, weil Gott im nattirlichen Gesetz und in der menschlichen Vernunft die Individuen zu einer gesellschaftlichen Existenz verpflichtet, aber keineswegs eine besondere Staatsformvorgeschrieben habe, sondern diese Entscheidung fiir ein freies Volk offen hielt. Die karolinische Alleinherrschaft war damit abgeschworen und verdammt - das Naturrecht hatte die Stellung als offizielle Staatsideologie eingenommen. Im gleichen Jahr, 1723, wurde auch die erste Anordnung an den schwedischen Universitäten - Uppsala, Abo/Turku und Lund - iiber die Notwendigkeit vom Unterricht im schwedischen Staatsrecht erlassen. Weitere Anordnungen folgten 1747, 1755 und 1757. Als Waffe im Kampf gegen die Königsmacht wurde 1726 eine schwedische Ubersetzung des zweiten Teiles von John Lockes Two treatises ofgovernment herausgegeben. Der erste und deshalb vielleicht auch der wichtigste Propagandist der neuen Ideologic war der Reichshistoriograph Jacob Wilde. In seinemWerk Historia Pragmatica (lat. Ausg. 1731, schwed. Teiliibers. 1749) positionierte er das postrevolutionäre schwedische Staatsrecht - mehr oder weniger in ständigem Kampf mit dem Reichskanzleikollegium als der Behörde, die u.a. fiir die Zensur und die Universitätsfragen zuständig war. Charakteristisch fiir die Auffassung Wildes war, dass er die karolinische Alleinherrschaft mit der aus aristotelischer Sicht legitimen Form der Monarchic gleichstellte. Die Verteidigung des sonst aus innenpolitischen Griinden als tyrannisch angesehenen Absolutismus’ war in erster Linie in seinem Streben begrtindet, die schwedische Staatsmacht und das schwedische Staatrecht in ein möglichst positives Licht zu stellen. Laut Wilde war Schweden seit alters sowohl mit einemnationalen jus publicum wie auch mit einer nationalen Geschichtsschreibung begabt, in gliicklicher Ermanglung römischrechtlichen Ballasts und akademischer Streitigkeiten, so wie man es in Deutschland gewöhnt war. Die staatrechtliche Autorschaft Wildes verfolgte zu einembeträchtlichen Teil das Ziel einer Ehrenrettung nicht nur der schwedischen Verfassung sondern auch der schwedischen Staatsrechtswissenschaft - eine Ehrenrettung, die vor allem darauf zielte, das Ansehen Schwedens in Deutschland zu heben. Das schwedische Partikularstaatsrecht, wie es imakademischen Unterricht zum Ausdruck kam, erscheint als eine zentral dirigierte versteckte Rezeption deutschen Gedankenguts. Das Verstecken, d.h. das Hervorheben der Verdienste der schwedischen Wissenschaft und Tradition, kombiniert mit der Verneinung oder Bekämpfung ausländischer Einwirkungen, hat wahrscheinlich seine Wurzeln in der Selbstauffassung der alten Grossmacht, gepaart mit einer zunehmenden, politisch bedingten Furcht vor auswärtigen Beeinflussungen. Kritik gegen die deutsche staatsrechtliche Doktrin kamhäufig vor: ent-

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