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Deutsche Zusammenfassung Die Auffassung Aristoteles’ vom Menschen als einem sozialen Wesen und seine Einteilung der Staatsformen in gute und schlechte nach dem Kriterium ob das Staatsleben fiir das Allgemeinwohl oder fiir das Beste der Regierenden gelenkt wird, haben das staatsrechtliche Denken in Europa bis Mitte des 18. Jahrhunderts weitgehend beherrscht. In Schweden wurde die aristotelische Tradition in den Universitätsstatuten von 1655 beriicksichtigt - Regelungen, die fiir sämtliche schwedischen Universitäten Giiltigkeit besassen. Laut der Statuten oblag es demProfessor fiir praktische Philosophie, Vorlesungen iiber die Politik Aristoteles’ zu halten und von diesem Ausgangspunkt die Aufgaben der höchsten Obrigkeit aufzuzeigen. Die allmähliche Stärkung der schwedischen Königsmacht während des letzten Teils des 17. Jahrhunderts spiegelte sich auch im akademischen Unterricht. Die naturrechtlichen Vertragskonstruktionen, die Rechte fiir König, Reichsrat und Reichststände legitimiert hatten, wurden in den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts vonTheorien abgelöst, die entweder die Unwiederruflichkeit des Herrschaftsvertrages oder den direkten göttlichen Ursprung der Königsmacht betonten - der bekännteste Vertreter dieser Auffassungen war der Professor iuris in Uppsala, Carl Lundius (1638-1715). Nach dem Tode des Königs Karl XII. 1718 gingen Reichsstände und Reichsrat als Sieger aus demKampf zwischen Königsmacht und Ständemacht herv'or. Der Schwester des verstorbenen Königs, Ulrike Eleonore, wurde das Erbrecht auf den Thron aberkannt. Ihre Wahl zur Königin setzte einen feierlichen Verzicht auf „die unumschränkte königliche Alleinherrschaft" voraus. Der Verzicht und die Verdammung der friiheren Staatsform fanden ihren Niederschlag in den naturrechtlich inspirierten Grundgesetzen: in der Regierungsform, in der Wahlkapitulation sowie in der königlichen Versicherung. Der Versuch, die Alleinherrschaft wiedereinzufiihren, wurde mit Landesverrat gleichgestellt. Die Reichsräte wurden vomVertrauen des Reichstages abhängig gemacht und der königliche Wille vom Mehrheitverhältnis in der Ratskammer. Während der 20er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde die neue Staatsform konsolidiert. Als Mitglieder des Bauernstandes 1723 den drei anderen Reichsständen einen Vorschlag zu erweiterten königlichen Befugnissen unterbreiteten, witterte man ein royalistisches Komplott. Fiir die Untersuchung des Tatbestandes und die Aburteilung der Verschwörer wurde eine Sonderkommission des Reichstages eingerichtet. Einer der Angeklagten hob als Verteidigung hervor, dass die

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