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360 nicht als voller Beweis betrachtet. Auch die Rechtsprechung sclieint in der Regel das eigene Geständnis in Strafsachen wegen weniger schwerer Delikte als vollen Beweis akzeptiert zu haben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert begann sich eine neue Meinung zum Geständnis in Strafsachen und eine neue Bewertung eines solchen Geständnisses durchzusetzen. Stimmen wurden laut, die sich fiir die Einfiihrung des Freibeweises aussprachen, und man begann Indizien gröfieren Beweiswert zuzugestehen; und zugleich begann man auch, das Geständnis als ein Beweismittel unter anderen zu sehen, dessen Wert vom Gericht gepriift werden miisse. Gerichtsakten der Zeit 1809—1948 zeigen jedoch, dafi während dieses ganzen Zeitabschnitts das eigene Geständnis trotz aller Kritik der Prinzipien der legalen Beweistheorie in weniger schweren Strafsachen als voller Beweis akzeptiert wurde. 5.3.2. Die rechtlichen Qualitätsanforderungen an das Geständnis im Zivil- und Strafprozel? 1809-1948 Der Ubergang von der Beweisbewertung nach Legalregeln zur freien Beweiswiirdigung und vominquisitorischen zumakkusatorischen Verfahren beeinflufite naturlich die Einstellung zu den Qualitätsanforderungen an das Geständnis, die imGesetzbuch von 1734 aufgestellt worden waren. 5.3.2.1. Confessio iudicialis et confessio extraiudicialis ZumFormerfordernis, das Geständnis miisse vor Gericht abgelegt werden, um als voller Beweis gelten zu können, kann festgestellt werden, dafi man bei Geständnissen in Zivilsachen bereit war, einem Geständnis vor Gericht einen sehr hohen Beweiswert zuzumessen, sofern alle iibrigen Qualitätsanforderungen erfiillt waren. Auch aufiergerichtlichen Geständnissen wurde jedoch gelegentlich ein hoher Beweiswert zuerkannt. Allerdings wurde der Wert des Geständnisses in solchen Fällen ausgehend von den Prinzipien der freien Beweiswiirdigung bestimmt. Mit dem Ubergang zur freien Beweiswiirdigung wurde das eigene Geständnis zu einemunter vielen Beweismitteln. In Strafsachen akzeptierte man Geständnisse vor Gericht in geringfugigeren Strafsachen als vollen Beweis, während man in Ubereinstimmung mit dem Gesetzbuch von 1734 in schweren Strafsachen verlangte, dafi das Geständnis von sonstigen Umständen, d. h. von Indizien bestätigt werden miisse, wenn es voile Beweiskraft entfalten sollte. In geringfugigeren Strafsachen verlangte die Rechtsprechung das persönliche Erscheinen des Angeklagten nicht, und seit 1840 akzeptierten die Gerichte schriftliche Geständnisse. Diese Rechtsprechung fiihrte 1866 dazu, dafi die gesetzlichen Bestimmungen iiber das persönliche Erscheinen vor Gericht in Strafsachen dahingehend geändert wurden, dal5 der Angeklagte nur in solchen Sachen zum persönlichen Erscheinen verpflichtet

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