355 4.4.4. Appelationsmöglichkeiten nach Geständnis Nach dem Gesetzbuch von 1734 konnte man sich gegen ein Urteil einer Unterinstanz an eine höhere Instanz mit dem Verlangen nach erneuter Priifung der Sache wenden. In Zivilsachen wurde das Rechtsmittel als vad, Berufung bezeichnet, in Strafsachen als besvär, Beschwerde. Fiinftes Kapitel Das Geständnis imschwedischen Prozef^recht 1809—1948 5.1. Die Gesellschaftsentwicklung sowie die kulturelle und religiöse Lage in Schweden 1809—1948 Wie im vorigen Kapitel habe ich auch diesen Teil meiner Untersuchung des Geständnisses eingeleitet mit Schilderungen der schwedischen Gesellschaftsentwicklung während der fraglichen Zeit, der ideologischen und kulturellen Strömungen, der religiösen Situation sowie der Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Prozefirechts in Schweden. Weiter habe ich den Ubergang vominquisitorischen Genchtsverfahren und der Beweisbewertung nach Legalregeln einerseits zumakkusatorischen Prozefi und der freien Beweiswiirdigung andererseits dargestellt. 5.1.1. Die Gesellschaftsentwicklung Die schwedische Gesellschaft des ganzen 19. Jahrhunderts war von der Landund Forstwirtschaft geprägt und verfiigte iiber eine Organisation, die weitgehend an Verhältnisse friiherer Jahrhunderte ankniipfte und sie fortsetzte. Zwar waren im Zusammenhang mit dem Staatsstreich von 1809 in den Jahren 1809 bis 1812 neue Verfassungsgesetze ergangen, durch die die Regeln fiir die leitenden Organe des schwedischen Staates neu gefafit worden waren; die alte Ständegesellschaft mit ihrem Reichstag der vier Stände war aber erhalten geblieben. Erst 1866 wurde ein aus zwei Kammern bestehender Reichstag eingefiihrt, der dann im 20. Jahrhundert durch mehrere Wahlrechtsreformen zu einer Vertretung des ganzen Volkes umgebildet wurde. Obwohl also im 19. Jahrhundert die konservativen Kräfte stark zur Geltung kamen, die gegeniiber Veränderungen der Gesellschafts- und Rechtsordnung nicht sehr aufgeschlossen waren, wird man doch sagen können, dafi gerade während des vorigen Jahrhunderts die schwedische Gesellschaft begann, sich allmählich zu verändern und zu modernisieren. Sie wurde zunehmend komplexer. Neue gesellschaftliche Gruppen formierten sich wie beispielsweise Beamte und Angestellte, Geschäftsleute und Industrieunternehmer und vor allem die neue Arbeiterklasse, die im Laufe der Zeit immer gröfieren gesellschaftlichen Einflufi bekommen sollte. Auch imBereich der Rechtsordnung kann man diese allmähliche Veränderung beobachten, die dann im 20. Jahrhundert aufierordentlich tiefgreifend wurde.
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