345 Von gröfiter Bedeutung fiir die deutsche Rechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts wurde jedoch wie oben erwähnt der Einflufi der französischen Prozefigesetzgebung. Durch den Code d’instruction criminelle von 1808 hatte man in Frankreich u. a. den akkusatorischen Prozel?, Laieneinflufi bei den Gerichten und freie Beweiswiirdigung eingefuhrt. Diese französische Prozefiform, die u. a. in den Staaten eingefuhrt wurde, die seinerzeit von Frankreich besetzt waren, wurde zur Inspirationsquelle fiir jene, die den deutschen Inquisitionsprozefi reformieren wollten. Die liberalistischen Ideenströmungen der Zeit stärkten den Reformeifer, während sich die konservative Innenpolitik als hemmender Faktor bei der Durchfiihrung der aufgestellten Reformprogramme erwies. ImGrunde konnten die Reformbestrebungen erst nach den politischen Umwälzungen des Jahres 1848 gröEeren Umfang und gröfiere Bedeutung erhalten. Viele Rechtswissenschaftler wie u. a. von Feuerbach, Mittermaier und Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) beteiligten sich an der Debatte, inwieweit der deutsche Strafprozeft reformbediirftig sei. Nach 1848 wurde die Strafprozeftgesetzgebung in mehreren deutschen Staaten nach dem Vorbild des französischen Strafprozesses reformiert. Fine fiir das ganze deutsche Reich gemeinsame Strafprozefiordnung erging jedoch erst 1877 und trat am 1. Oktober 1879 in Kraft. Das neue Gesetz griindete sich auf einen Entwurf, der von dem preuBischen Justizminister Adolf Leonhardt ausgearbeitet worden war. Durch diese Strafprozefiordnung rezipierte man in grol^em Umfang Prinzipien des französischen Strafprozesses wie u. a. die Prinzipien der Miindlichkeit, Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit. Das neue Gesetz fiihrte weiter die freie Beweiswiirdigung ein und liefi ohne Einschränkung die Anwendung von Indizien als Beweismittel zu. 3.3.1. Natur, Funktion und Beweiswert des Geständnisses imZivil- und Strafprozefi In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist das Institut des Geständnisses sowohl im Zivil- als auch im Strafprozeft wiederholt eingehend analysiert worden, was sicherlich u. a. mit den prozessualen Reformarbeiten zusammenhing, die damals in Deutschland und seinen Nachbarstaaten stattfanden. Zu nennen sind hier zwei Dissertationen, die 1868 und 1869 in Zurich von Heinrich Giesker und Emil Schauberg vorgelegt worden sind und die Unterschiede der Natur und Funktion des Geständnisses im Zivilprozefi einerseits und im Strafprozefi andererseits behandeln. 3.3.1.1. Natur, Funktion und Beweiswert des Geständnisses imZivilprozefi Natur, Funktion und Beweiswert des Geständnisses im Zivilprozel? wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts von zwei bedeutenden Rechtswissenschaftlern, den Professoren Julius Wilhelm Planck (1817-1900) und Oskar Biilow (1837—1907) eingehend behandelt. Planck vertrat in seinen wissenschaftlichen
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=