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344 u. a. die konservative Innenpolitik Metternichs die Rezeption. Erst nach den politischen Ereignissen von 1848 kamen die Reformen voran. Ein friihes Ergebnis war die hannöversche Zivilprozefiordnung von 1850. Mit der Zivilprozefiordnung von 1877, die am 1. Oktober 1879 in Kraft trat, wurde die Reform auf das ganze Deutsche Reich ausgedehnt. Durch sie wurde u. a. die freie Beweiswiirdigung fiir den Zivilprozef? gesetzlich verankert. Die am besten gelungene Zivilprozefigesetzgebung des 19. Jahrhunderts wurde die österreichische Zivilprozefiordnung von 1895, die dann die Prozefigesetzgebung sowohl in Deutschland als auch in Skandinavien beeinflufit hat. Die deutsche Zivilprozefiordnung von 1877 wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrfach iiberarbeitet und novelliert. Besonders bedeutungsvoll wurde die Novelle von 1924, durch die die Dispositionsmöglichkeiten der Parteien fiber den Prozefi eingeschränkt und die Stellung des Gerichts und seine prozel?leitende Funktion gestärkt wurde. Weiter wurde der Proze£ konzentriert und die Entscheidung nach Lage der Akten und die Verhandlung vor dem Einzelrichter sowie das Giiteverfahren eingefiihrt. Die Entwicklung folgte diesen Linien auch nach 1931, was bedeutete, daft die Stellung der Gerichte verstärkt und zugleich der soziale Charakter des Zivilprozesses betont wurde. Hierbei machte sich ein Einflufi der österreichischen Zivilprozefiordnung geltend. 3.3. Die Entwicklung des deutschen Strafprozesses im 19. Jahrhundert Der gemeine deutsche Inquisitionsprozefi wurde wie oben erwähnt durch Gesetze kodifiziert, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den drei gröfiten deutschen Staten, Osterreich, Preufien und Bayern ergingen. Durch sie wurden die Liige- und Ungehorsamsdelikte mit zusätzlichen Strafen bedroht sowie das Institut der absolutio ah instantia kodifiziert. Schon bald wurde jedoch ernste Kritik laut sowohl gegen das inquisitorische Verfahren als solches, als auch gegen die Prinzipien der legalen Beweistheorie und schliefilich die absolutio ab instantia. Bereits in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts hatte der sächsische Jurist vonJusti die Einfiihrung der freien Beweiswiirdigung statt der Befolgung starrer Legalregeln empfohlen, aber fur seine Ideen kein Gehör gefunden. Andererseits begann man mit der Entwicklung der sogenannten negativen Beweistheorie, die verlangte, der Richter selbst solle von der Schuld des Angeklagten iiberzeugt sein. Der Richter solle niemand verurteilen, nicht einmal wenn ein eigenes Geständnis oder die iibereinstimmenden Aussagen von zwei Zeugen vorhanden seien, wenn er nicht selbst von der Schuld des Angeklagten iiberzeugt sei. Zuerst entwickelt wurde diese negative Beweistheorie von dem italienischen Rechtsphilosophen Gaetano Filangieri (1752—1788). von Feuerbach war ihr gegenfiber positiv, und später wurde sie als Grundlage des deutschen Strafprozesses iibernommen.

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